Brüllbeton - Kriminalroman
auf diesen 25 km bis zur Bergspitze des Col dâAubisque bewältigt hat, das zeigte sich erst, als Cadel Evans als Zweiter hier oben ankam und schon einen Rückstand von 3:35 hatte. Der Dritte war Rudi Schumacher mit einem Abstand von 6:12, verfolgt von einer mehrköpfigen Gruppe u.a. mit Thibaut Pinot und mit Matthew Goss.
Wir passieren gerade eine einigermaÃen ebene Strecke und schleichen uns mit unserem Motorrad vorsichtig an Rudi Schumacher heran, der den Anschluss nach vorn verloren hat, aber auch noch gut 500 Meter vor der Verfolgergruppe liegt. Die Asphaltdecke riecht noch frisch, aber es ist ein merkwürdiges Gefühl, darauf zu fahren. Sie wurde vor wenigen Tagen von einer Lübecker Baufirma fertiggestellt und hat bei der örtlichen Bevölkerung gleich für Unmut gesorgt. Nicht nur, weil der Bauauftrag an eine deutsche statt an eine französische Firma ging. Sondern auch, weil die Räder der Autos und LKWs auf dieser Decke einen erheblichen Lärmpegel verursachen. âºDeutsche Lärmpisteâ¹ haben die Franzosen sie genannt. Aber jetzt ist das alles vergessen. Jetzt sind sie froh, dass die Tour ihnen so viel Geld in die Kassen spült.
Jetzt sind wir gleich auf mit Rudi und können ein kleines Interview wagen. Die Anfeuerungsrufe, die Sie hören können, gelten ihm. Nach seinen tollen Leistungen in den beiden letzten Etappen ist er als Newcomer auch bei den vielen Franzosen beliebt, die hier den StraÃenrand säumen.
»Rudi, wie kam es? Bis zum dritten Col sah es so gut aus.«
»Ja, bis zum dritten Col war ich gut drauf, aber der letzte Col, der hat mich geschafft.«
»Man kann sich vorstellen, dass das in die Beine ging. War nichts mehr zu machen?«
»Ich hatte einen ziemlichen Tiefpunkt und ich war froh, als ich oben ankam, allerdings weit von der Spitze abgeschlagen. Jetzt ist es meine Taktik, so zu fahren, dass die anderen hinter mir aufschlieÃen, um nicht allein bis ins Ziel fahren zu müssen.«
»Rudi Schumacher, recht schönen Dank, und wir hoffen, dass die restlichen 40 Kilometer, die noch bis Pau zu fahren sind, Ihnen nicht allzu sehr in die Beine gehen.«
»Das kriegen wir schon hin. â Auch ohne Gendoping â¦Â«
Wir machen einen Schnitt und befinden uns jetzt in Pau. Wir warten nunmehr auf das Finish. Es ist schwül, und die Sonne brennt auf die gebückten Rücken der Radfahrer. Ãber 20.000 Zuschauer sitzen auf den lang gezogenen Tribünen oder stehen dicht gedrängt am Rand der abgesteckten Piste.
Alle warten auf Bradley Wiggins. Jetzt hört man Applaus von hinter der Kurve. Der müsste Bradley Wiggins gelten.
Und da kommt er, Begleitfahrzeuge hinter sich. Wie lang wird es dauern, bis die Verfolgergruppe auftaucht? Zwei Minuten, dann kommt wieder Bewegung drüben in die Zuschauer. Jetzt erscheint die Verfolgergruppe. Das Gelbe Trikot ist vorn. Matthew Goss, André Greipel und Rudi Schumacher. Das Grüne Trikot leuchtet ebenfalls auf. Sie fahren jetzt Relais. Das Grüne Trikot ist vorn. Es gewinnt den Spurt. Vor Matthew Goss, André Greipel und Rudi Schumacher.
Hinter Bradley Wiggins, Cadel Evans wird Thibaut Pinot knapp Dritter. Rudi Schumacher kommt auf Platz 7. Eine fantastische Leistung für dieses junge Nachwuchstalent aus Bad Schwartau bei Lübeck und sein Team Universal.
*
Julia stimmte in den aus dem Lautsprecher brandenden Applaus der fernen Zuschauer ein. »Unser Junge! Einer aus unserem Verein! Das wird eine Feier geben, wenn der wieder zu Hause ist!«
Jan Hopfinger ging in die Küche und mixte für Julia und sich einen neuen Mojito. Er fühlte sich sichtlich wohl in der Wohnung seiner neuen Eroberung. »Jetzt reichtâs, Julia. Schalt doch mal das Radio ab. Ich würde lieber Musik hören«.
»Aber nur, Jan, wenn du dich so langsam mal an meinen Musikgeschmack gewöhnst!«, rief ihm Julia zu. Sie hatte sich vorgenommen, ihn von seiner Middle-of-the-road Popmusik herunterzubringen, ihn kulturell sozusagen ein wenig zu liften.
Hopfinger kam aus der Küche zurück und reichte Julia mit einem verschmitzt zustimmenden Lächeln ihr Glas. »Mozart und Beethoven meinetwegen. Aber auf keinen Fall Franz Liszt. Du weiÃt doch: Musik kann töten.«
E N D E
Dieter Bührig im Gmeiner-Verlag:
Die verschollene Jungfrau (2012)
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