Brüllbeton - Kriminalroman
Stundensatz.«
Kroll packte seine Sachen wieder zusammen und verabschiedete sich von Mike: »Danke, Sie haben mir sehr geholfen. Ist schon ein toller Job, den Sie da haben. Würde gern mit Ihnen tauschen.«
»Na ja, das reine Zuckerschlecken ist es auch nicht gerade. Ewig parat zu sein, egal ob gutes Wetter ist oder ein Feiertag, und immer den Musikern das Unmögliche möglich machen. Aber Spaà macht es trotzdem. Ich meinerseits würde jedenfalls nicht gern mit Ihnen tauschen.«
*
Der Tag begann grau in grau. Die Sonne lieà sich nicht blicken. Seit dem frühen Morgen lag ein dichter Nebel über der Stadt. Von seinem Büro im siebten Stock des Behördenhochhauses am Berliner Platz konnte Kriminalhauptkommissar Kroll nichts mehr von der ansonsten so schönen Altstadtkulisse Lübecks erkennen. Verschwunden war auch die Wallanlage, und Sportboote blieben bei dem Wetter sowieso im Hafen.
Hopfinger kam mit schlechter Laune ins Büro, denn seine Ãberwachung von Grigorij und Chantal hatte sich als Reinfall erwiesen. AuÃer ein paar Haschischdeals war nichts Besonderes vorgefallen. Jetzt sollte er auch noch die langweilige Aufgabe übernehmen, beim bevorstehenden Verhör den Protokollanten zu spielen. Sein Chef hatte nämlich Amelie Müller und ihren Stiefsohn Kevin zu sich ins Büro gebeten. In Sachen Todesfall Verdinand B. Müller.
Die beiden Schreibtische standen nach wie vor nebeneinander und waren mit den für den Fall Brüllbeton wichtigen Akten und Gegenständen vollgeladen. Kroll hatte im Hintergrund des Raums eine bescheidene Sitzgruppe aufstellen lassen, auf der die beiden geladenen Gäste Platz nahmen.
Amelie rutschte nervös auf der Stuhlkante herum und lieà ihren Blick ständig über die Gegenstände auf den Schreibtischen gleiten. Sie sah blass und übernächtigt aus. Kevin machte einen abgestumpften Eindruck, als stände er unter Drogeneinfluss. Zusammengekrümmt versuchte er, sich in seinem Stuhl so klein wie möglich zu machen. Das Gesicht versteckte er unter seinen langen und wirren, ungewaschenen Haaren.
Kroll lieà von Anfang an keinen Zweifel aufkommen, dass es heute ernst werden würde. Er belehrte die beiden, wie es die Vorschrift verlangte, über ihre Rechte und kam sofort auf den Punkt.
»Ich bedaure es sehr, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir inzwischen klare Hinweise dafür gefunden haben, dass Ihr Ehemann, respektive Ihr Vater, keines natürlichen Todes gestorben ist.«
Er machte eine Kunstpause, um zu sehen, wie die beiden auf seine Ankündigung reagierten. Kevin reagierte überhaupt nicht. Amelie riss die Augen weit auf und starrte den Kommissar verständnislos an. »Aber â¦Â« Mehr brachte sie nicht hervor.
»Ich weiÃ, was Sie sagen wollen, gnädige Frau. Auch für mich war das eine überraschende Wendung. Aber was der Bericht der Spurensicherung und insbesondere das Obduktionsergebnis aussagen, ist eindeutig.«
Wieder eine Kunstpause, die Amelies Nervosität steigerte und Kevins Apathie umso deutlicher machte. Kroll stand auf, holte den Plastikbeutel mit den weiÃen Kapseln vom Schreibtisch und legte ihn auf den Tisch vor sich. Dann entschloss er sich zu seinem entscheidenden Satz: »Herr Müller ist an einer Ãberdosis eines Dopingstoffes verstorben, den die Fachleute AICAR nennen. Wenn übermäÃige Mengen davon in den Blutkreislauf gelangen, kann es tödliche Folgen haben. Zumal, wenn es sich um eine Person mit Herzinsuffizienz handelt. Und da die Substanz Herrn Müller ohne sein Zutun â wie auch immer â in den Mund getrichtert wurde, müssen wir von einem bewussten Tötungsdelikt, also von Mord, ausgehen.«
Eisige Stille herrschte plötzlich in dem Raum. Amelie hörte schlagartig mit ihrem nervösen Rutschen auf dem Stuhl auf. Kevin gab immer noch kein Lebenszeichen von sich. Es schien, als würde er nicht einmal mehr atmen. Von drauÃen aus dem ansonsten wie ein Bienenhaus schwirrenden Hochhaus drang kein Laut herein, als hätte der Nebel sämtliche Lebensadern gelähmt.
Kroll schwieg. Es dauerte Minuten, ehe sich etwas regte. Kevin war der Erste. Er richtete sich ganz langsam auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Als Kroll in sein Gesicht blickte, hatte er den Eindruck, der junge Mann wäre um Jahrzehnte gealtert. Wässrige Tropfen liefen über seine Wangen. Waren es
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