Brunetti 01 - Venezianisches Finale
wenn er musste.«
»Und hat er sie bei der Arbeit anders behandelt als die anderen?«
»Commissario, ich hoffe, Sie versuchen nicht, hier das Szenario einer homosexuellen Mordtat zu konstruieren, dass jemand Helmut eines grausamen Wortes oder rückgängig gemachten Vertrages wegen umgebracht hat.«
»Es sind schon Menschen aus geringfügigeren Motiven ermordet worden.«
»Das ist keine Diskussion wert«, sagte sie mit scharfer Stimme. »Haben Sie noch andere Fragen?«
Er zögerte, selbst etwas angewidert von der nächsten Frage, die er ihr stellen musste. Er sagte sich, dass er wie ein Arzt oder Priester war und nicht weitergab, was die Leute ihm erzählten, aber er wusste auch, dass es nicht stimmte: er würde keinerlei Vertrauen respektieren, wenn ihn das zu der Person führte, die er suchte.
»Meine nächste Frage ist nicht allgemein und sie betrifft nicht seine Meinungen.« Er beließ es dabei, in der Hoffnung, sie würde es verstehen und von sich aus etwas sagen. Aber es kam keine Hilfe. »Ich meine Ihre Beziehung. Gab es da irgendwelche Eigentümlichkeiten?«
Er beobachtete sie, wie sie den Impuls niederkämpfte aufzuspringen. Stattdessen strich sie mit dem Mittelfinger ihrer rechten Hand ein paar Mal über ihre Unterlippe, während der Ellbogen auf der Sessellehne ruhte. »Ich nehme an, Sie sprechen von meiner sexuellen Beziehung zu meinem Mann.« Er nickte. »Und ich nehme an, ich könnte jetzt wütend werden und von Ihnen verlangen, dass Sie mir erklären, wie Sie das meinen, wenn Sie in unserer Zeit von Eigentümlichkeiten reden. Aber ich sage Ihnen schlicht, nein, an unserer sexuellen Beziehung war nichts ›eigentümlich‹ und das ist alles, was Sie von mir dazu erfahren.«
Sie hatte seine Fragen beantwortet. Ob er jetzt die Wahrheit wusste, war eine andere Sache, eine, mit der er sich im Augenblick nicht befassen wollte. »Hatte er Ihres Wissens Schwierigkeiten mit einem der Gesangssolisten in dieser Produktion? Oder mit sonst jemandem, der damit zu tun hatte?«
»Nicht mehr als sonst. Der Regisseur ist bekanntermaßen homosexuell und von der Sopranistin hört man es sagen.«
»Kennen Sie einen oder beide?«
»Mit Santore habe ich nie gesprochen, höchstens mal ein ›Hallo‹ bei den Proben. Flavia kenne ich, wenn auch nicht gut, weil wir uns gelegentlich auf Parties begegnet sind und uns unterhalten haben.«
»Was halten Sie von ihr?«
»Ich halte sie für eine hervorragende Sängerin und dieser Meinung war Helmut auch«, antwortete sie, seine Frage bewusst missverstehend.
»Und persönlich?«
»Persönlich finde ich sie reizend. Vielleicht hat sie manchmal ein bisschen wenig Sinn für Humor, aber für ein paar Stunden ist sie eine angenehme Gesellschaft. Und sie ist überraschend intelligent. Das sind die meisten Sänger nicht.« Es war klar, dass sie weiterhin bewusst seine Fragen missdeutete und nicht bereit war, ihm zu liefern, was er wollte, solange er nicht direkt fragte.
»Und die Gerüchte?«
»Ich habe sie nie so wichtig genommen, um groß darüber nachzudenken.«
»Und Ihr Mann?«
»Ich denke, er hat ihnen geglaubt. Nein, das stimmt nicht. Ich weiß, dass er ihnen geglaubt hat. Er hat einmal so etwas gesagt. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, was es war, aber er ließ keinen Zweifel daran, dass er den Gerüchten glaubte.«
»Aber es war nicht genug, um Sie zu überzeugen?«
»Commissario«, sagte sie übertrieben geduldig, »ich bin nicht sicher, ob Sie verstehen, was ich meine. Es geht nicht darum, ob Helmut mich von der Wahrheit dieser Gerüchte überzeugen konnte oder nicht. Er konnte mich nur nicht davon überzeugen, dass sie wichtig waren. Darum habe ich alles vergessen, bis Sie es eben erwähnten.«
Er ließ sich seine Zustimmung nicht anmerken. Stattdessen fragte er: »Und Santore? Hat Ihr Mann etwas Bestimmtes über ihn gesagt?«
»Nicht, dass ich wüsste.« Sie zündete sich eine neue Zigarette an. »Das war ein Thema, über das wir nicht einig waren. Ich hatte kein Verständnis für seine Vorurteile und er wusste das, also haben wir einvernehmlich jede Diskussion darüber vermieden. Helmut war Musiker genug, um seine persönlichen Gefühle beiseite lassen zu können. Das gehörte zu den Eigenschaften, die ich an ihm geliebt habe.«
»Waren Sie ihm treu, Signora?«
Diese Frage hatte sie eindeutig vorausgesehen. »Ja, ich glaube schon«, meinte sie nach langem Schweigen.
»Es tut mir leid, aber ich weiß nicht recht, wie ich diese Antwort
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