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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Decken fester, um sich vor der Kälte zu schützen und vor dem kalten Ton seiner Stimme. Er wartete, dass sie weiter sprach, aber er hörte nur das leise Puffen und Zischen des Kerosinofens, das dem vergeblichen Versuch, die tödliche Kälte aus dem Zimmer zu vertreiben, Stimme verlieh.
    Minuten vergingen. Brunetti hatte immer noch den bitteren Geschmack des Kaffees im Mund und er konnte nichts gegen die Kälte tun, die ihm weiter bis auf die Knochen drang.
    Schließlich sprach sie und ihr Ton hatte etwas Endgültiges. »Wenn Sie Ihren Kaffee ausgetrunken haben, können Sie gehen.«
    Er trat an den Tisch, nahm die beiden Tassen und brachte sie zum Spülstein. Als er sich umdrehte, hatte sie sich schon aus ihrem Kokon geschält und stand an der Tür. Wieder schlurfte sie vor ihm her durch den langen Korridor, in dem es, falls das überhaupt möglich war, in der Zwischenzeit noch kälter geworden war. Langsam und unbeholfen fingerte sie mit ihren verkrüppelten Händen an den Riegeln und hielt ihm dann die Tür gerade so weit auf, dass er hindurchschlüpfen konnte. Als er sich umdrehte, um sich zu bedanken, hörte er die Riegel schon wieder zurückschnurren. Obwohl es draußen schon winterlich kühl war, seufzte er wohlig und erleichtert, als er die schwache Nachmittagssonne auf dem Rücken spürte.

15.
    Als das Boot ihn zur Hauptinsel zurückbrachte, überlegte er, wer ihm wohl sagen könnte, was sich damals zwischen der Sängerin und Wellauer abgespielt hatte. Und zwischen ihm und ihrer Schwester. Als einziger fiel ihm sein alter Freund Michele Narasconi ein, der in Rom lebte und es fertig brachte, sich als Autor von Reise- und Musikbüchern über Wasser zu halten. Micheles Vater, inzwischen im Ruhestand, war der gleichen Profession nachgegangen, wenn auch mit weit größerem Erfolg. Zwei Jahrzehnte war er der führende Reporter des Überflüssigen in Italien gewesen, einem Land, das den ständigen Strom solcher Informationen forderte. Über Jahre hatte der Ältere sowohl für Gente als auch für Oggi seine wöchentlichen Kolumnen geschrieben und Millionen Leser hatten sich auf seine Berichte - Genauigkeit war nicht oberstes Gebot - verlassen, in denen die Skandale des Hauses Savoyen, der Stars von Bühne und Film und der zahllosen Duodezfürsten aufgerollt wurden, die glaubten, vor oder nach ihrer Abdankung nach Italien emigrieren zu müssen. Brunetti konnte zwar noch nicht genau sagen, was er eigentlich suchte, aber er wusste, dass Micheles Vater für seine Fragen der Richtige war.
    Er führte sein Telefonat vom Büro aus. Es war so lange her, seit er zuletzt mit Michele gesprochen hatte, dass er bei der Vermittlung die Nummer erfragen musste. Während das Telefon klingelte, überlegte er sich, wie er sein Anliegen vorbringen konnte, ohne seinen Freund zu kränken.
    »Pronto. Narasconi«, meldete sich eine Frauenstimme.
    »Ciao, Roberta«, sagte er, »hier ist Guido.«
    »Ah, Guido, das ist aber nett, dass du dich mal wieder meldest. Wie geht es dir? Und Paola? Und den Kindern?«
    »Uns geht's allen gut, Roberta. Euch hoffentlich auch. Sag mal, Roberta, ist Michele da?«
    »Ja, einen kleinen Augenblick, ich hole ihn.« Er hörte, wie der Hörer hingelegt wurde und Roberta nach ihrem Mann rief. Es folgten einige dumpfe Geräusche, dann Micheles Stimme: »Ciao, Guido, wie geht's dir und was willst du?« Das anschließende Lachen machte jede Überlegung, ob das wohl bösartig gemeint war, zunichte.
    Brunetti beschloss, weder Zeit noch Energie auf höfliche Einleitungen zu verschwenden. »Michele, diesmal brauche ich das Gedächtnis deines Vaters. Für deins liegt die Sache zu weit zurück. Wie geht es ihm?«
    »Er arbeitet immer noch. RAI möchte, dass er eine Sendereihe über die Kindertage des Fernsehens schreibt. Wenn er es macht, lasse ich es dich wissen, damit du's dir ansehen kannst. Was willst du denn wissen?« Als Reporter aus Instinkt wie aus Profession verschwendete auch Michele keine Zeit.
    »Ich möchte wissen, ob er sich an eine Opernsängerin namens Clemenza Santina erinnert. Sie hat vor dem Krieg gesungen.«
    Michele schnalzte leise. »Klingt irgendwie vertraut, obwohl ich nicht recht weiß, warum. Aber wenn es um die Kriegsjahre geht, wird Papà sich erinnern.«
    »Es waren noch zwei Schwestern. Sie haben alle gesungen«, erklärte Brunetti.
    »Ah ja, jetzt weiß ich es wieder. Die singenden Cs oder so ähnlich, oder die schönen Cs. Was willst du über sie wissen?«
    »Alles. Alles, woran er sich

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