Brunetti 01 - Venezianisches Finale
zugeschlagenen Türen und tagelangem Beleidigt sein. Raffaele wusste, dass er verloren hatte und machte seinem Ärger Luft, indem er die Teller vom Tisch riss und sie auf den Tresen neben der Spüle knallte. Brunetti dem seinen, indem er die Flasche und sein Glas mit ins Wohnzimmer nahm, um dort abzuwarten, bis das unvermeidliche Gebummer und Geklapper widerwilligen Gehorsams verklungen war.
»Wenigstens baut er keine Bomben in seinem Zimmer«, meinte Paola tröstend, als sie sich zu ihm setzte. Aus der Küche hörten sie die gedämpften Töne, die ihnen sagten, dass Raffaele abwusch und die hellen Klapperlaute, die davon sprachen, dass Chiara abtrocknete und wegräumte. Gelegentlich war ein Ausbruch plötzlichen Gelächters zu vernehmen.
»Glaubst du, er macht sich noch?«, fragte er.
»Solange sie ihn zum Lachen bringen kann, müssen wir uns wohl keine Sorgen machen. Er würde Chiara nie etwas Böses tun und ich kann mir nicht vorstellen, dass er jemanden in die Luft jagen würde.« Brunetti war nicht sicher, ob das die Sorgen, die er sich um seinen Sohn machte, schon hinreichend beschwichtigte, aber fürs erste wollte er es so hinnehmen.
Chiara steckte den Kopf durch die Tür und rief: »Raffi hat das Brett geholt. Kommt, lasst uns anfangen.«
Als er und Paola in die Küche kamen, war das Monopoly-Brett auf dem Küchentisch aufgebaut und Chiara als Bankhalterin verteilte schon das Spielgeld. Paola durfte die Bank schon lange nicht mehr übernehmen, denn allzu oft war sie im Lauf der Jahre dabei erwischt worden, wie sie sich an der Kasse vergriff. Raffaele hatte zweifellos Bedenken, dass man ihm Geldgier nachsagen könnte, wenn er den Posten übernahm und weigerte sich. Brunetti hatte schon so viel damit zu tun, sich aufs Spiel zu konzentrieren, dass er nicht auch noch den Bankhalter machen konnte und so überließen sie es immer Chiara, der das Zählen und Einsammeln, das Auszahlen und Wechseln Spaß machte.
Sie würfelten, wer anfangen durfte. Raffaele verlor und musste als letzter ziehen, genug, um die anderen drei von Anfang an kribbelig zu machen. Brunetti fand es beängstigend, dass der Junge unbedingt gewinnen musste und er spielte oft bewusst schlecht, um seinem Sohn alle Vorteile einzuräumen.
Nach einer halben Stunde besaß Chiara alle Grünen: Via Roma, Corso Impero und Largo Augusto. Raffaele hatte zwei rote Straßen und brauchte, um seinen Grundbesitz zu vervollständigen, nur noch die Via Marco Polo, die Brunetti besaß. Nach vier weiteren Runden ließ Brunetti sich beschwatzen, Raffaele das fehlende rote Grundstück für das Aquädukt und fünfzigtausend Lire zu verkaufen. Die Familienregel verbot jeglichen Kommentar, was Chiara nicht davon abhielt, ihrem Bruder unter dem Tisch einen kräftigen Tritt zu versetzen.
Raffaele protestierte, wie nicht anders zu erwarten: »Hör auf, Chiara. Wenn er unbedingt ein schlechtes Geschäft machen will, dann lass ihn doch.« Und das von dem Jungen, der das kapitalistische System zum Einsturz bringen wollte.
Brunetti händigte ihm die Karte aus und sah zu, wie unverzüglich Hotels auf alle drei Straßen gesetzt wurden. Während Raffaele damit beschäftigt war und aufpasste, dass Chiara ihm richtig herausgab, sah Brunetti, wie Paola heimlich, still und leise, einen Stapel Zehntausendlirescheine von der Bank zu sich hinschob. Sie blickte auf, merkte, dass ihr Mann beobachtete hatte, wie sie ihre eigenen Kinder bestahl und bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln. Ein Polizist, der mit einer Diebin verheiratet war, ein Computermonster zur Tochter und einen Anarchisten zum Sohn hatte.
In der nächsten Runde landete er auf einem von Raffaeles neuen Hotels und musste ihm alles aushändigen, was er besaß. Paola entdeckte plötzlich, dass sie noch genug Geld hatte, um sechs Hotels zu bauen, besaß aber immerhin soviel Anstand, seinem Blick auszuweichen, als sie der Bank das Geld gab.
Brunetti lehnte sich zurück und beobachtete, wie das Spiel seinen Lauf nahm, bis zu dem durch seine Verluste an Raffaele unausweichlich gewordenen Ende. Paolas Ellbogen näherte sich erneut den Zehntausendlirescheinen, aber diesmal gebot ein eisiger Blick von Chiara ihr Einhalt. Chiara indessen konnte Raffaele nicht dazu überreden, ihr den Parco della Vittoria zu verkaufen, landete zweimal hintereinander auf den roten Hotels und machte Bankrott. Paola hielt noch zwei Runden lang durch, bis sie auf dem Hotel in der Viale Costantino landete und nicht mehr zahlen konnte.
Das
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