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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Spiel war zu Ende; Raffaele verwandelte sich im Handumdrehen vom erfolgreichen Wirtschaftskapitän in den verdrießlichen Feind der herrschenden Klasse; Chiara ging den Kühlschrank räubern und Paola gähnte und meinte, es sei Zeit, ins Bett zu gehen. Brunetti folgte ihr über den Flur und dachte, dass der Polizeikommissar der Serenissima schon wieder einen Abend mit der unerbittlichen Verfolgung der Person verbracht hatte, die für den Tod des berühmtesten Musikers der Zeit verantwortlich war.

18.
    Micheles Anruf kam um eins und riss Brunetti aus einem wirren, unruhigen Schlaf. Beim vierten Klingeln nahm er ab und meldete sich.
    »Guido, hier ist Michele.«
    »Michele«, wiederholte Brunetti dämlich und versuchte sich zu erinnern, ob er jemanden mit Namen Michele kannte. Er öffnete unter gewaltiger Willensanstrengung die Augen und es fiel ihm wieder ein. »Michele, Michele, gut. Fein, dass du anrufst.« Er knipste die Nachttischlampe an und setzte sich auf. Paola schlief neben ihm wie ein Stein.
    »Ich habe mit meinem Vater gesprochen. Er konnte sich an alles erinnern.«
    »Und?«
    »Genau, wie du gesagt hast: wenn es etwas zu wissen gibt, weiß er es.«
    »Spar dir das Triumphgeheul und leg los.«
    »Es gab Gerüchte über Wellauer und die Schwester, die Opernsängerin war, Clemenza. Papà wusste nicht mehr genau wo, aber es fing wohl in Deutschland an, wo sie unter ihm gesungen hat. Einmal ist es offenbar zu einer Szene zwischen der Ehefrau Wellauers und La Santina gekommen, bei einer Premierenfeier. Sie haben sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf geworfen und Wellauer ist dann gegangen.« Michele machte eine Kunstpause. »Mit der Santina. Nach diesen Gastspielen - mein Vater glaubt, dass es 1937 oder 38 gewesen sein muss - kam die Santina dann hierher, nach Rom und Wellauer fuhr nach Hause, um sich den Marsch blasen zu lassen.« Michele lachte über seinen eigenen Witz, auch wenn er nicht besonders gut war. Brunetti lachte nicht.
    »Offenbar ist es ihm gelungen, seine Frau zu besänftigen. Papà meinte, da habe er ziemlich viel Besänftigungsarbeit leisten müssen, auch später.«
    »War er so einer?«, wollte Brunetti wissen.
    »Sieht so aus. Papà sagt, einer der schlimmsten. Oder der besten, wie man's nimmt. Nach dem Krieg haben sie sich dann scheiden lassen.«
    »Aus diesen Gründen?«
    »Da war er sich nicht ganz sicher. Man kann wohl davon ausgehen. Vielleicht aber auch, weil er die falsche Seite unterstützt hat.«
    »Und dann, als die Santina wieder in Italien war?«
    »Er kam, um eine Aufführung von Norma zu dirigieren, das war die, bei der sie sich geweigert hat zu singen. Kennst du die Geschichte?«
    »Ja.« Er hatte sie inzwischen in der Mappe gelesen, die Miotti ihm zusammengestellt hatte, Fotokopien jahrzehntealter Zeitungsausschnitte aus römischen und venezianischen Zeitungen.
    »Sie haben eine andere Sopranistin gefunden und Wellauer feierte einen Triumph.«
    »Und sie, hatte sie weiterhin Kontakt zu ihm?«
    »An diesem Punkt wird die Sache etwas undurchsichtig, meint Papà. Manche sagten, sie seien danach noch eine Weile zusammengeblieben, während andere meinten, er habe die Beziehung abgebrochen, als sie nicht mehr sang.«
    »Und was ist mit den Schwestern?«
    »Es sieht aus, als habe Wellauer eine nach der anderen aufgerissen, nachdem Clemenza nicht mehr sang.« Michele war nicht gerade für feine Ausdrucksweise bekannt, besonders, wenn er über Frauen redete.
    »Und dann?«
    »Das ging so eine Weile. Und dann kam es zu dem, was man eine ›illegale Operation‹ nannte. Kein Problem, selbst zu der Zeit nicht, wenn man die richtigen Leute kannte. Und Wellauer kannte sie. Niemand hat damals etwas Genaues erfahren, aber sie ist gestorben. Vielleicht war das Kind gar nicht von ihm, aber die meisten haben es offenbar damals angenommen.«
    »Und weiter?«
    »Na ja, sie ist gestorben, wie ich schon sagte. Natürlich wurde nichts darüber geschrieben. Man konnte über solche Dinge damals nicht schreiben. Als Todesursache wurde in den Zeitungen eine ›plötzliche Erkrankung‹ angegeben. Na ja, das war es wohl gewissermaßen auch.«
    »Und die andere Schwester?«
    »Papà meint, die sei nach Argentinien gegangen, entweder direkt nach dem Krieg oder bald danach. Er glaubt, dass sie dort gestorben ist, aber erst Jahre später. Soll ich Papà noch mal fragen, ob er darüber etwas herausfinden kann?«
    »Nein, Michele. Sie ist nicht wichtig. Was ist mit Clemenza?«
    »Sie versuchte ein

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