Brunetti 01 - Venezianisches Finale
Botschafter war ein Speichellecker, wie alle und wollte sie zu ihrem Mann zurückschicken. Aber seine Frau, eine Sizilianerin - und man sage ja nichts gegen Sizilianerinnen - stürmte ins Büro der Botschaft und blieb da, bis drei Pässe ausgestellt waren. Dann fuhr sie Flavia und ihre Kinder zum Flughafen, wo sie auf Kosten der Botschaft drei Erster-Klasse-Tickets nach Mailand ausstellen ließ und so lange wartete, bis die Maschine gestartet war. Offenbar hatte sie Flavia drei Jahre zuvor als Dorabella gehört und meinte, ihr zumindest so viel schuldig zu sein.«
Brunetti fragte sich langsam, inwieweit das alles mit Wellauers Tod zu tun hatte und - durch Padovanis ironischen Tonfall misstrauisch geworden - wie viel davon wahr sein mochte.
Als hätte der andere seine Gedanken gelesen, beugte Padovani sich vor und sagte: »Die reine Wahrheit. Glaub mir.«
»Woher weißt du das alles?«
»Guido, du bist doch lange genug bei der Polizei, um zu wissen, dass nichts mehr geheim ist, wenn jemand einen bestimmten Grad von Berühmtheit erreicht hat.« Brunetti lächelte zustimmend und Padovani nahm den Faden wieder auf. »Jetzt kommt der interessante Teil: die Rückkehr unserer Heldin ins Leben. Und der Grund ist, wie stets in solchen Geschichten, die Liebe. Oder auf jeden Fall«, fügte er nach kurzem Überlegen hinzu, »die Lust«.
Brunetti, der merkte, wie sehr der andere seine Geschichte genoss, war versucht, Rache zu üben, indem er Antonia verriet, dass Padovani seinen Fisch nicht aufgegessen, sondern in der Serviette versteckt hatte.
»Ihr Einsiedlerleben währte fast drei Jahre. Dann folgte eine Reihe von - nun ja, Liaisons. Erst ein Tenor, mit dem sie zufälligerweise sang. Ein schlechter Tenor, aber zu ihrem Glück ein netter Mann. Zu ihrem Unglück hatte er aber eine ebenso nette Frau, zu der er bald zurückkehrte. Dann kamen kurz hintereinander...« Er zählte sie an den Fingern ab, während er sie nannte. »... ein Bariton, ein weiterer Tenor, ein Tänzer, oder war das vielleicht der Regisseur, ein Arzt, der irgendwie versehentlich mit reingerutscht sein muss und, Wunder über Wunder, ein Kontratenor. Und dann brach das Ganze ebenso plötzlich ab, wie es angefangen hatte.« Auch er brach ab, während Antonia ihm seinen Salat hinstellte. Er machte ihn sich zurecht, viel zu viel Essig für Brunettis Geschmack. »Ungefähr ein Jahr lang sah man sie mit niemandem. Dann erschien plötzlich l'Americana auf der Bildfläche und hatte die göttliche Flavia offenbar erobert.« Er spürte Brunettis Interesse und fragte: »Kennst du sie?«
»Ja.«
»Und was hältst du von ihr?«
»Ich mag sie.«
»Ich auch«, stimmte Padovani zu. »Diese Geschichte zwischen ihr und Flavia ergibt absolut keinen Sinn.«
Brunetti hatte Hemmungen, ein direktes Interesse an dem Thema zu zeigen und ermunterte Padovani nicht, ausführlicher darauf einzugehen.
Das war allerdings kaum nötig. »Sie lernten sich vor etwa drei Jahren bei der China-Ausstellung kennen. Danach sah man sie ein paar Mal zusammen beim Essen oder im Theater, aber dann musste l'Americana nach China zurück.«
Alles Neckische wich aus Padovanis Stimme. »Ich habe ihre Bücher über chinesische Kunst gelesen, die beiden ins Italienische übersetzten und das kurze in Englisch. Wenn sie nicht schon die bedeutendste Archäologin auf dem Gebiet ist, wird sie es bald sein. Ich verstehe nicht, was sie in Flavia sieht, denn Flavia ist, so genial sie auch sein mag, im Grunde ein ziemliches Miststück.«
»Aber was ist mit der Liebe?«, fragte Brunetti und ergänzte dann, wie Padovani vorhin: »Oder der Lust?«
»Das mag für Menschen wie Flavia richtig sein; es entzieht sie ihrer Arbeit nicht. Aber die andere hält eine der wichtigsten archäologischen Entdeckungen unserer Zeit in Händen und ich glaube, sie hat die Urteilsgabe und die Fähigkeit...« Padovani hielt plötzlich inne, hob sein Glas und leerte es in einem Zug. »Entschuldige, ich lasse mich selten so hinreißen. Das muss der Einfluss der imposanten Antonia sein.«
Auch wenn es nichts mit den Ermittlungen zu tun hatte, konnte Brunetti doch nicht umhin zu fragen: »Ist sie die erste, äh, lesbische Beziehung der Petrelli?«
»Ich glaube nicht, aber alles andere war vorübergehendes Geplänkel.«
»Und dies? Ist es etwas anderes?«
»Für welche?«
»Beide.«
»Da es schon über drei Jahre währt, würde ich sagen, ja, es ist ernst. Für beide.« Padovani klaubte das letzte grüne Blatt aus seiner
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