Brunetti 02 - Endstation Venedig
in einer Biegung auf den Ponte dell'Accademia zuführte. »Möchtest du etwas trinken?« fragte der Conte, wobei er an ein Sideboard trat, auf dem eine bereits geöffnete Flasche Dom Perignon in einem eisgefüllten silbernen Kübel stand.
Brunetti kannte seinen Schwiegervater gut genug, um zu wissen, daß dies absolut nicht aufgesetzt war. Hätte der Conte lieber Coca-Cola getrunken, so wäre in demselben Eiskübel eben eine anderthalb-Liter-Plastikflasche gewesen und er hätte seinen Gästen in derselben Weise davon angeboten.
»Ja, gern, danke«, sagte Brunetti. Eine gute Einstimmung auf den Abend im Al Covo.
Der Conte goß Champagner in ein frisches Glas, füllte sein eigenes auf und reichte Brunetti das erste. »Wollen wir uns hinsetzen, Guido?« fragte er und steuerte auf zwei Sessel mit Blick aufs Wasser zu.
Als sie es sich bequem gemacht hatten und Brunetti seinen Champagner probiert hatte, fragte der Conte: »Was kann ich für dich tun?«
»Ich möchte dich um einige Informationen bitten, weiß aber nicht recht, wie ich meine Fragen formulieren soll«, begann Brunetti, der entschlossen war, die Wahrheit zu sagen. Er konnte den Conte kaum bitten, für sich zu behalten, was er ihm erzählte; eine solche Kränkung würde er schwer verzeihen können, selbst dem Vater seiner einzigen Enkel. »Ich wüßte gern alles, was du mir über einen Signor Gamberetto aus Vicenza sagen kannst, der eine Spedition und offenbar auch ein Bauunternehmen hat. Ich weiß nichts weiter von ihm als seinen Namen. Und daß er möglicherweise in etwas Illegales verwickelt ist.«
Der Conte nickte, was heißen sollte, daß der Name ihm bekannt war, er es aber vorzog, erst einmal zu hören, was sein Schwiegersohn noch alles wissen wollte.
»Und dann wüßte ich noch gern, was das amerikanische Militär erstens mit Signor Gamberetto und zweitens mit der illegalen Lagerung toxischer Substanzen zu tun hat, die offenbar in diesem Land stattfindet.« Er nippte an seinem Champagner. »Ich bin dankbar für alles, was du mir darüber sagen kannst.«
Der Conte trank aus und stellte sein Glas neben sich auf ein Intarsientischchen. Er schlug seine langen Beine übereinander, wobei eine lange schwarze Seidensocke sichtbar wurde, und legte die Finger unter dem Kinn zu einer Pyramide zusammen. »Signor Gamberetto ist ein ganz besonders unangenehmer Geschäftsmann mit ganz besonders guten Beziehungen. Er besitzt nicht nur die beiden Unternehmen, die du genannt hast, Guido, sondern auch noch eine große Hotelkette, Reisebüros und Ferienanlagen, viele davon im Ausland. Außerdem wird gemunkelt, er habe sich in letzter Zeit ins Waffen- und Munitionsgeschäft eingekauft und sich dazu mit einem der wichtigsten Hersteller in der Lombardei zusammengetan. Viele dieser Firmen laufen auf den Namen seiner Frau, weshalb sein Name in den einschlägigen Zeitungen nicht auftaucht, in den entsprechenden Verträgen ebensowenig. Die Baufirma läuft, glaube ich, auf den Namen seines Onkels, aber da könnte ich mich auch irren.
Wie so viele unserer neuen Geschäftsleute«, fuhr der Conte fort, »ist er merkwürdig unsichtbar. Aber er hat mehr einflußreiche Freunde und Bekannte als die meisten. Sie sitzen gleichermaßen in der sozialistischen wie in der christlich-demokratischen Partei, keine schlechte Leistung, und er ist auf diese Weise sehr gut geschützt.«
Der Conte stand auf und ging zum Sideboard hinüber, kam zurück, füllte ihre Gläser nach und stellte die Flasche in den Eiskübel zurück. Nachdem er sich wieder in seinem Sessel niedergelassen hatte, fuhr er fort: »Signor Gamberetto kommt aus dem Süden, sein Vater war Hausmeister einer Schule, wenn ich mich recht erinnere. Es gibt demzufolge nicht viele gesellschaftliche Gelegenheiten, bei denen wir uns treffen könnten. Über sein Privatleben weiß ich nichts.«
Er nahm einen Schluck. »Und zu deiner zweiten Frage, wegen der Amerikaner, da wüßte ich gerne, was deine Neugier geweckt hat.«
Als Brunetti nicht gleich antwortete, fügte der Conte hinzu: »Es kursieren viele Gerüchte.«
Brunetti konnte nur spekulieren über die schwindelerregenden Höhen von Geschäft und Politik, in denen der Conte mit Gerüchten in Berührung kam, aber er sagte immer noch nichts.
Der Conte drehte den Stiel seines Glases zwischen seinen schlanken Fingern. Als klar wurde, daß Brunetti weiter schweigen wollte, sagte er: »Ich weiß, daß ihnen gewisse Sonderrechte zugestanden werden, die nicht in dem Vertrag stehen,
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