Brunetti 02 - Endstation Venedig
verschwindet. Warum kannst du nicht mehr tun?«
Wieder bedachte der Conte seinen Schwiegersohn mit demselben Lächeln. »Ich glaube, dies ist das erste Mal in all den Jahren, daß wir richtig miteinander geredet haben, Guido.« Dann fügte er in anderem Ton hinzu: »Weil es zu viele Müllkippen gibt, und zu viele Männer wie Gamberetto.«
»Kannst du etwas gegen ihn unternehmen?«
»Nein, da kann ich nichts tun.«
»Kannst oder willst du nicht?«
»Aus mancherlei Sicht ist ›können‹ und ›wollen‹ dasselbe, Guido.«
»Das ist Sophisterei«, schoß Brunetti zurück.
Der Conte lachte geradeheraus. »Ja, das ist es. Dann laß es mich so sagen: Ich ziehe es vor, in dieser Angelegenheit nichts weiter zu unternehmen, bis auf das, was ich dir gesagt habe.«
»Und warum?« wollte Brunetti wissen.
»Weil ich mich nicht dazu entschließen kann, mich außerhalb meiner Familie von etwas anfechten zu lassen.« Sein Ton war endgültig; darüber hinaus wurde Brunetti keine Erklärung bekommen.
»Darf ich dir noch eine Frage stellen?«
»Ja.«
»Als ich dich angerufen und um dieses Gespräch gebeten habe, fragtest du, ob ich über Viscardi sprechen wollte. Warum?«
Der Conte sah ihn mit echter Überraschung an, dann wandte er sich den Booten auf dem Kanal zu. Als einige vorbeigetuckert waren, antwortete er: »Signor Viscardi und ich haben gemeinsame Geschäftsinteressen.«
»Was soll das heißen?«
»Genau das. Wir haben gemeinsame Interessen.«
»Und darf ich fragen, worin sie bestehen?«
Der Conte drehte sich wieder zu ihm um, bevor er antwortete: »Guido, über meine Geschäftsinteressen rede ich nicht, außer mit den Leuten, die unmittelbar damit zu tun haben.«
Bevor Brunetti protestieren konnte, fügte der Conte hinzu: »Nach meinem Tod kann ich über diese Dinge nicht mehr bestimmen. Vieles geht an deine Frau über.« Er hielt kurz inne und sagte dann: »Und an dich. Aber bis dahin spreche ich nur mit Leuten darüber, die damit zu tun haben.«
Brunetti wollte fragen, ob die Geschäfte seines Schwiegervaters mit Signor Viscardi legal waren, wußte aber nicht, wie er die Frage anbringen sollte, ohne den Conte zu kränken. Schlimmer noch, Brunetti hatte Angst, daß er allmählich selbst nicht mehr wußte, was das Wort »legal« hieß.
»Kannst du mir etwas über Signor Viscardi sagen?«
Die Antwort des Conte ließ lange auf sich warten. »Er hat mit einer ganze Reihe anderer Leute gemeinsame Geschäftsinteressen. Viele dieser Leute sind sehr einflußreich.«
Brunetti hörte die Warnung in der Stimme seines Schwiegervaters, aber er sah auch die Verbindung im Hintergrund.
»Haben wir eben über einen von ihnen gesprochen?«
Der Conte sagte nichts.
»Haben wir eben über einen von ihnen gesprochen?« wiederholte er.
Der Conte nickte.
»Kannst du mir etwas über die Interessen sagen, die sie gemeinsam haben?«
»Ich kann - ich werde - dir nicht mehr sagen, als daß du mit keinem von beiden etwas zu tun haben solltest.«
»Und wenn doch?«
»Ich fände es besser, wenn nicht.«
Brunetti konnte sich nicht enthalten zu sagen: »Und ich fände es besser, wenn du mich über ihre Geschäftsinteressen informieren würdest.«
»Dann haben wir wohl ein Patt erreicht«, sagte der Conte in bemüht leichtem Konversationston. Bevor Brunetti antworten konnte, hörte er ein Geräusch hinter sich, und beide Männer drehten sich um, als die Contessa eintrat. Sie eilte mit raschen Schritten auf Brunetti zu, und ihre hohen Absätze klickten eine fröhliche Botschaft aufs Parkett. Beide Männer standen auf. »Guido, wie nett, dich zu sehen«, sagte sie und streckte sich, um ihn auf beide Wangen zu küssen.
»Ah, meine Liebe«, sagte der Conte, indem er sich über ihre Hand beugte. Vierzig Jahre verheiratet, dachte Brunetti, und immer noch küßt er ihr die Hand, wenn sie ins Zimmer kommt. Wenigstens knallt er nicht die Hacken zusammen.
»Wir haben gerade über Chiara gesprochen«, sagte der Conte und lächelte wohlwollend auf seine Frau hinunter.
»Ja«, bestätigte Brunetti, »wir haben eben gesagt, welch ein Glück es für Paola und mich ist, daß beide Kinder so gesund sind.«
Der Conte warf ihm über den Kopf seiner Frau hinweg einen Blick zu, sie aber lächelte beide an und meinte: »Ja, Gott sei Dank. Wir haben wirklich Glück, daß wir in einem so gesunden Land wie Italien leben, nicht?«
»Wie recht du hast«, sagte der Conte.
»Was kann ich den Kindern denn aus Capri mitbringen?« wollte die Contessa
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