Brunetti 02 - Endstation Venedig
den wir nach Kriegsende mit ihnen geschlossen haben. Fast alle unsere kurzlebigen und auf verschiedene Weise inkompetenten Regierungen fühlen sich bemüßigt, ihnen eine wie auch immer geartete bevorzugte Behandlung zuzusagen. Das geht nicht nur so weit, daß sie unsere Berge mit Raketensilos pflastern dürfen - eine Information, die dir jeder Einwohner der Provinz Vicenza geben kann -, sondern es erlaubt ihnen auch, so gut wie alles, was sie wollen, in dieses Land zu bringen.«
»Einschließlich giftiger Chemikalien?« fragte Brunetti direkt.
Der Conte neigte den Kopf. »Es geht das Gerücht.«
»Aber warum? Wir müßten doch von Sinnen sein, das zuzulassen.«
»Guido, es ist nicht Aufgabe einer Regierung, bei Sinnen zu sein, es ist ihre alleinige Aufgabe, erfolgreich zu sein.« Der Conte merkte wohl, daß sein Ton etwas schulmeisterlich geklungen hatte, und wurde jetzt konkreter. »Den erwähnten Gerüchten zufolge war Italien für solche Sendungen früher nur Durchgangsland. Sie kamen von den Stützpunkten in Deutschland, wurden hier auf italienische Schiffe umgeladen und dann weiter nach Afrika oder Südamerika gebracht, wo niemand danach fragte, was da mitten im Dschungel, im Wald oder im See abgeladen wurde. Aber nachdem es in den letzten Jahren in vielen dieser Länder radikale Regierungswechsel gegeben hat, sind diese Abflüsse verstopft, und sie weigern sich, uns weiter diese tödlichen Abfälle abzunehmen. Oder sie erklären sich bereit, sie zu nehmen, verlangen dafür aber exorbitant hohe Summen. Jedenfalls wollen diejenigen, die hier diese Sendungen übernehmen, nicht gern damit aufhören - und somit auch nicht mehr daran verdienen -, nur weil sie das Zeug in anderen Ländern oder auf anderen Kontinenten nicht mehr loswerden. Also kommen die Ladungen weiter her, und man findet hier ein Plötzchen dafür.«
»Du weißt das alles?« fragte Brunetti, ohne seine Überraschung und Wut zu verbergen.
»Guido, so viel - oder so wenig - ist allgemein bekannt, zumindest als Gerücht. Du könntest es leicht in ein paar Stunden am Telefon herausbekommen. Aber niemand weiß es, außer den Leuten, die direkt damit zu tun haben, und das sind keine Leute, die über diese Dinge reden. Und wenn ich das hinzufügen darf, es ist auch nicht die Sorte von Leuten, mit denen man redet.«
»Sie bei Cocktail-Parties zu schneiden, reicht wohl kaum, um sie zum Aufhören zu bewegen«, blaffte Brunetti. »Und es schafft das, was sie bereits abgeladen haben, auch nicht urplötzlich aus der Welt.«
»Dein Sarkasmus geht durchaus nicht spurlos an mir vorbei, Guido, aber ich fürchte, dies ist eine Situation, in der man hilflos ist.«
»Wer ist ›man‹?« fragte Brunetti.
»Diejenigen, die von der Regierung und ihrem Handeln wissen, aber nicht beteiligt sind, jedenfalls nicht aktiv. Außerdem ist da auch noch die nicht zu vernachlässigende Tatsache, daß nicht nur unsere Regierung damit zu tun hat, sondern auch die amerikanische.«
»Nicht zu vergessen die Herren aus dem Süden?«
»Ach ja, die Mafia«, sagte der Conte und seufzte müde. »Offenbar ist dieses Netz von allen dreien gesponnen und darum dreifach stark, und wenn ich das mit warnendem Unterton hinzufügen darf, auch dreimal so gefahrlich.« Er sah Brunetti an und fragte: »Wie tief bist du in diese Sache verstrickt, Guido?« Man hörte ihm die Sorge an.
»Erinnerst du dich an den Fall des Amerikaners, der hier vor einer Woche ermordet wurde?«
»Ah, ja, bei einem Raubüberfall. Höchst unglückselige Geschichte.« Hier gab der Conte unvermittelt seine Pose auf und fragte nüchtern: »Du hast eine Verbindung zwischen ihm und diesem Signor Gamberetto festgestellt, nehme ich an.«
»Ja.«
»Da war noch so ein seltsamer Todesfall bei den Amerikanern, eine Ärztin aus dem Krankenhaus in Vicenza. Stimmt das?«
»Ja, sie war seine Freundin.«
»Eine Überdosis, soweit ich mich erinnere.«
»Ein Mord«, berichtigte Brunetti, gab aber keine weitere Erklärung dazu.
Der Conte verlangte auch keine, saß nur lange schweigend da und sah auf die draußen auf dem Canal vorbeifahrenden Boote. Endlich fragte er: »Was hast du vor?«
»Ich weiß es noch nicht«, antwortete Brunetti und fragte dann seinerseits: »Ist das eine Sache, auf die du irgendeinen Einfluß hast?«, womit er sich dem Grund seines Kommens näherte.
Der Conte dachte eine ganze Weile über die Frage nach. »Ich weiß nicht genau, wie du das meinst, Guido«, sagte er schließlich.
Brunetti, dem
Weitere Kostenlose Bücher