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Brunetti 02 - Endstation Venedig

Brunetti 02 - Endstation Venedig

Titel: Brunetti 02 - Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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die beiden Männer saßen. Dann nahm er seinen Platz wieder ein, aufrecht und die Hände um den Sitz gelegt.
    Als er im rauhen Dialekt der vorgelagerten Inseln zu sprechen begann, hätte kein Italiener, der nicht in Venedig geboren war, ihn verstehen können. Brunetti fragte sich, ob der Junge überhaupt Italienisch konnte. Aber sein Interesse an dem Dialekt verlor sich bald, als der Junge weitersprach. »Ruffolo hat meinen Freund noch mal angerufen, und mein Freund hat mich angerufen, und weil ich dem Sergente hier versprochen habe, daß ich ihm sage, wenn ich etwas von meinem Freund höre, bin ich gekommen.«
    »Was hat dein Freund gesagt?«
    »Ruffolo will mit jemandem reden. Er hat Angst.« Er brach ab und blickte die beiden Polizisten scharf an, um zu sehen, ob sie seinen Ausrutscher bemerkt hatten. Anscheinend hatten sie nichts gemerkt, und er fuhr fort: »Ich meine, daß dieser Freund von mir gesagt hat, Ruffolo hätte sich ängstlich angehört, aber er, mein Freund, wollte nichts weiter sagen, nur daß Peppino mit jemandem reden will, aber er hat gesagt, ein Sergente ist nicht genug. Er will mit einem hohen Tier reden.«
    »Hat dein Freund gesagt, warum Ruffolo das will?«
    »Nein, hat er nicht. Aber ich glaube, daß seine Mutter ihm gesagt hat, er soll das tun.«
    »Kennst du Ruffolo?«
    Der Junge zuckte die Achseln.
    »Was würde ihm denn angst machen?«
    Diesmal hieß das Achselzucken wahrscheinlich, daß der Junge es nicht wußte.
    »Er denkt, daß er schlau ist, der Ruffolo. Er redet immer groß herum, von Leuten, die er im Knast kennengelernt hat, und von seinen tollen Freunden. Als er anrief, da hat er mir erzählt«, sagte der Junge und vergaß dabei ganz seinen vorgeschobenen Freund, »daß er sich stellen will, aber daß er ein paar Sachen im Tausch anzubieten hat. Er sagt, Sie wären bestimmt froh, wenn Sie die kriegen, und daß es ein guter Handel ist.«
    »Und hat er gesagt, worum es geht?« fragte Brunetti.
    »Nein, aber ich soll Ihnen sagen, daß es drei Sachen sind. Das würden Sie schon verstehen.«
    Brunetti verstand. Guardi, Monet und Gauguin. »Und wo will er sich mit diesem hohen Tier treffen?«
    Als merkte er plötzlich, daß sein vorgeschobener Freund nicht mehr da war, um als Puffer zwischen ihm und der Staatsgewalt zu dienen, hielt der Junge inne und sah sich im Zimmer um, doch der Freund war verschwunden; keine Spur mehr von ihm.
    »Kennen Sie den kleinen Steg vor dem Arsenale?« fragte der Junge.
    Brunetti und Vianello nickten. Gut einen halben Kilometer weit führte der erhöhte Asphaltweg von den Werften innerhalb des Arsenale etwa zwei Meter über dem Wasser der Lagune bis zur Vaporetto-Haltestelle Celestia.
    »Da will er hinkommen, hat er gesagt, wo der kleine Strand ist, auf der Arsenale-Seite der Briìcke. Morgen, um Mitternacht.« Brunetti und Vianello wechselten über den gesenkten Kopf des Jungen hinweg einen Blick, und Vianello formte mit den Lippen lautlos das Wort »Hollywood«.
    »Und wer soll dort hinkommen?«
    »Jemand Wichtiges. Deswegen ist er am Samstag nicht gekommen, hat er gesagt, nicht für einen Sergente.«
    Vianello trug das, wie es schien, mit Fassung.
    Brunetti gestattete seiner Phantasie einen kleinen Ausflug und stellte sich Patta vor, mit Onyx-Zigarettenhalter und Spazierstock, und weil diese Frühherbstnächte neblig waren, in seinem Burberry-Regenmantel mit kunstvoll aufgestelltem Kragen, wie er auf dem Steg beim Arsenale wartete, während die Glocken von San Marco Mitternacht schlugen. Und weil es Phantasie war, ließ Brunetti seinen Vorgesetzten nicht mit Ruffolo zusammentreffen, der Italienisch sprach, sondern mit diesem einfachen Jungen von Burano. Und das Phantasiebild ging im harschen Dialekt des Jungen und Pattas verwaschenem Sizilianisch unter, die der mitternächtliche Lagunenwind von ihren Lippen davontrug.
    »Ist ein Commissario wichtig genug?« fragte Brunetti.
    Der Junge sah auf, unsicher, wie er das verstehen sollte. »Ja«, meinte er dann, nachdem er entschieden hatte, daß es ernst zu nehmen war.
    »Morgen, um Mitternacht?«
    »Ja.«
    »Hat Ruffolo gesagt - hat er deinem Freund gesagt -, daß er diese Sachen mitbringt?«
    »Nein, das hat er nicht gesagt. Nur daß er um Mitternacht auf den Steg bei der Brücke kommt. Wo der kleine Strand ist.« Es war kein richtiger Strand, wie Brunetti wußte, eher eine Stelle, wo die Gezeiten genügend Sand und Kies an die Mauer des Arsenale gespült hatten, daß sich dort Plastikflaschen und alte

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