Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 02 - Endstation Venedig

Brunetti 02 - Endstation Venedig

Titel: Brunetti 02 - Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
verbinden gelernt hatte. Statt dessen roch es nur nach frischem Kaffee, wohl kaum die Sehnsucht eines Mannes, der den ganzen Tag beruflich in - ja - in Amerika gewesen war.
    »Paola?« rief er und blickte suchend durch den Flur zur Küche. Ihre Stimme antwortete ihm aus der anderen Richtung, aus dem Bad, und gleichzeitig stieg ihm der süße Duft von Badesalz in die Nase, der ihm mit einem Schwall feuchtwarmer Luft entgegenschlug. Kurz vor acht Uhr abends, und sie nahm ein Bad?
    Er ging den Flur entlang und blieb vor der halboffenen Badezimmertür stehen. »Bist du da drin?« fragte er und merkte dann, wie dumm die Frage war, so dumm, daß Paola nicht einmal darauf antwortete. Statt dessen fragte sie zurück: »Ziehst du deinen grauen Anzug an?«
    »Grauen Anzug?« wiederholte er, wobei er in das dampferfüllte Bad trat. Er sah ihren mit einem Handtuch umwickelten Kopf körperlos auf einer Wolke aus Seifenschaum schweben, als wäre er von dem, der sie enthauptet hatte, sorgsam darauf plaziert worden. »Grauen Anzug?« fragte er noch einmal und dachte dabei, welch seltsames Paar sie abgeben würden, er im grauen Anzug, sie in ihrem Schaumkleid.
    Sie öffnete die Augen, drehte den Kopf zu ihm und bedachte ihn mit dem Blick, diesem ganz bestimmten, bei dem er sich immer fragte, ob sie durch ihn hindurch zum Speicher sah, wo sein Koffer lag, und dabei überlegte, wie lange sie wohl brauchen würde, diesen für ihn zu packen. Der Blick jedenfalls genügte, um ihn daran zu erinnern, daß heute der Abend war, an dem sie ins Casinò mußten, zusammen mit ihren Eltern, eingeladen von einem alten Freund der Familie. Das bedeutete ein spätes Abendessen, sündhaft teuer, was dadurch noch schlimmer - oder besser? Da konnte er sich nie so recht entscheiden - wurde, daß dieser Freund der Familie mit seiner goldenen Kreditkarte bezahlte, oder war sie aus Platin? Danach wurde dann immer noch ein Stündchen gespielt oder, schlimmer noch, anderen beim Spiel zugeschaut.
    Seit er in den beiden Fällen, in denen Angestellte des Casinò bei diversen Betrügereien erwischt worden waren, nicht nur ermittelt, sondern auch beide Male die Festnahme durchgeführt hatte, verabscheute Brunetti die salbungsvolle Höflichkeit, mit der Direktor und Angestellte ihn behandelten. Wenn er spielte und gewann, fragte er sich jedesmal, ob das Spiel zu seinen Gunsten manipuliert worden war; verlor er, mußte er mit der Möglichkeit rechnen, daß Rache geübt worden war. So oder so machte Brunetti sich nicht die Mühe, über die Natur des Glücks zu spekulieren.
    »Ich hatte an den dunkelblauen gedacht«, sagte er, indem er ihr die Blumen hinstreckte und sich über die Badewanne beugte. »Die habe ich dir mitgebracht.«
    Der Blick verwandelte sich in das Lächeln, das ihm auch nach zwanzig Jahren des Zusammenlebens noch gelegentlich die Knie weich werden ließ. Eine Hand tauchte aus dem Wasser auf, dann ein Arm. Sie berührte seinen Handrücken, ließ ihn feucht und warm zurück und zog den Arm wieder unter die Schaumdecke. »Ich bin in fünf Minuten fertig.« Ihr Blick begegnete seinem und hielt ihn fest. »Wenn du früher gekommen wärest, hättest du auch ein Bad nehmen können.«
    Er lachte, und das machte die Stimmung zunichte. »Aber dann wären wir zu spät zum Essen gekommen.« Sehr wahr. Sehr wahr. Doch er verfluchte die Zeit, die er vertan hatte, indem er bei Do Mori eingekehrt war. Er verließ das Bad, ging den langen Flur entlang in die Küche und legte die Blumen in den Ausguß, stöpselte ihn zu und ließ Wasser einlaufen, bis die Stiele bedeckt waren.
    Im Schlafzimmer sah er, daß sie ein langes rotes Kleid auf dem Bett ausgebreitet hatte. Er erinnerte sich nicht, es schon einmal gesehen zu haben, aber das tat er selten und hielt es für das beste, es nicht zu erwähnen. Wenn sich herausstellte, daß es neu war, und er eine Bemerkung darüber machte, klang es womöglich so, als fände er, daß sie zu viele Kleider kaufte, und wenn sie es schon einmal getragen hatte, würde es so klingen, als beachtete er sie zuwenig. Er seufzte über die ewige Ungerechtigkeit des Ehelebens, machte den Schrank auf und fand, daß der graue Anzug doch passender war. Er zog Hose und Jackett aus, band die Krawatte ab, betrachtete im Spiegel sein Hemd und überlegte, ob er es anbehalten sollte. Er entschied sich dagegen, zog es aus und warf es über die Lehne eines Stuhls. Dann holte er sich ein frisches heraus, obwohl er es irgendwie lästig fand, aber er war viel

Weitere Kostenlose Bücher