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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Homosexuelle haßten?
    »Können Sie mir die Wohnungsnummer von Signor Feltrinelli sagen?«
    Der alte Mann setzte sich wieder hinter seinen Tisch und fuhr fort, die Post zu sortieren. »Fünfter Stock. Der Name steht an der Tür.«
    Brunetti wandte sich ohne ein Wort zum Gehen. Während er die Tür zur Eingangshalle öffnete, meinte er zu hören, wie der Alte noch ein verächtliches »signore« brummelte, aber es konnte auch nur ein ärgerliches Schnaufen gewesen sein. Am anderen Ende der marmorgefliesten Eingangshalle rief er den Fahrstuhl und wartete. Nach ein paar Minuten war der Aufzug immer noch nicht gekommen, aber Brunetti verspürte keine Lust zurückzugehen und den portiere zu fragen, ob er überhaupt in Betrieb war. Statt dessen machte er eine Tür zu seiner Linken auf, die tatsächlich zum Treppenhaus führte, und ging zu Fuß in den fünften Stock. Bis er oben ankam, mußte er seine Krawatte lockern und mehrmals den feuchten Stoff seiner Hosen von den Oberschenkeln abziehen. Er holte sein Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß vom Gesicht.
    Wie der alte Mann gesagt hatte, stand der Name an der Tür. »Giovanni Feltrinelli - Architetto.«
    Brunetti sah auf die Uhr: 11 Uhr 35. Er klingelte. Sogleich hörte er rasche Schritte. Die Tür wurde von einem jungen Mann geöffnet, der entfernte Ähnlichkeit mit dem Polizeifoto besaß, das Brunetti sich nachts zuvor angesehen hatte: kurze, blonde Haare, ein weiches, feminines Kinn und große, dunkle Augen. »Si?« sagte er und sah Brunetti mit einem freundlich fragenden Lächeln an.
    »Signor Giovanni Feltrinelli?« fragte Brunetti und hielt ihm gleichzeitig seinen Ausweis hin.
    Der junge Mann sah den Ausweis kaum an, schien ihn aber sofort zu erkennen, und dieses Erkennen wischte das Lächeln von seinem Gesicht.
    »Ja. Was wünschen Sie?« Die Stimme war so kühl wie nun das Lächeln.
    »Ich möchte gern mit Ihnen sprechen, Signor Feltrinelli. Darf ich hereinkommen?«
    »Warum fragen Sie überhaupt?« versetzte Feltrinelli müde, öffnete die Tür etwas weiter und trat zurück, um Brunetti hereinzulassen.
    »Permesso«, sagte Brunetti und trat ein. Vielleicht traf die Berufsbezeichnung an der Tür ja zu, denn die Wohnung dahinter wirkte präzise und gekonnt geplant. Das Zimmer, in das Brunetti kam, war in gebrochenem Weiß gestrichen, das helle Parkett im Fischgrätmuster verlegt. Darauf verteilt lagen mehrere Kelims in gedämpften, verblichenen Farben, und zwei andere Teppiche - Brunetti hielt sie für persisch - hingen an den Wänden. Das Sofa an der Stirnseite des Raums war lang, niedrig und, wie es aussah, mit beigefarbener Seide bezogen. Davor stand ein rechteckiger Glastisch, auf dessen einem Ende ein großer Keramikteller ins Auge fiel. An einer Wand standen Bücherregale, an einer anderen hingen gerahmte Architekturentwürfe neben Fotos von fertigen Bauten, die alle niedrig und weitläufig und von riesigen Flächen karger Landschaft umgeben waren. In der hintersten Ecke stand ein hoher Zeichentisch, dessen Arbeitsplatte zur Zimmermitte hin gekippt und mit großen Transparentpapierbogen bedeckt war. Eine Zigarette brannte in einem Aschenbecher, der jeden Moment von der schrägen Tischplatte zu rutschen drohte.
    Die perspektivische Anordnung lenkte den Blick des Betrachters immer wieder zur Raummitte hin, auf den schlichten Keramikteller. Brunetti hatte den Eindruck, daß die Wirkung gewollt war, wußte aber nicht, wie sie zustande kam.
    »Signor Feltrinelli«, begann er. »Ich möchte Sie bitten, uns bei unseren Ermittlungen zu helfen, wenn Sie können.«
    Feltrinelli schwieg.
    »Ich zeige Ihnen das Bild eines Mannes, und Sie sagen mir dann, ob Sie ihn kennen oder schon einmal gesehen haben.«
    Feltrinelli ging zu dem Zeichentisch hinüber und nahm seine Zigarette. Er zog gierig daran und drückte sie dann mit einer nervösen Geste aus. »Ich gebe keine Namen preis«, sagte er.
    »Wie bitte?« fragte Brunetti, der dafür zwar Verständnis hatte, es aber nicht zeigen wollte.
    »Ich gebe die Namen meiner Kunden nicht preis. Sie können mir so viele Fotos zeigen, wie Sie wollen, ich werde auf keinem einzigen jemanden erkennen, und Namen kenne ich auch nicht.«
    »Ich frage Sie nicht nach Ihren Kunden, Signor Feltrinelli«, sagte Brunetti. »Und es interessiert mich nicht, wer dazu gehört. Aber wir glauben, daß Sie vielleicht etwas über diesen Mann wissen, und möchten Sie bitten, sich eine Skizze anzusehen und uns zu sagen, ob Sie ihn

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