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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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nichts. »Sie spielen auf AIDS an?« fügte Feltrinelli unnötigerweise hinzu.
    »Ja.«
    »Für mich gibt es kein Risiko«, meinte Feltrinelli und wandte sich ab. Er ging zum Zeichentisch und nahm seine Zigarette. »Sie finden ja allein hinaus, Commissario«, sagte er noch, während er sich wieder über seine Zeichnung beugte.

8
    B runetti trat auf die Straße hinaus, zurück in die Sonne und den Lärm, und ging in eine Bar rechts neben dem Gebäude. Er bestellte sich ein Glas Mineralwasser, dann ein zweites. Nachdem er auch dieses fast geleert hatte, schüttete er den Rest in sein Taschentuch und rieb damit vergeblich an dem blauen Farbfleck auf seiner Hand herum.
    War es eine kriminelle Handlung, wenn ein aidskranker prostituto Sex hatte? Ungeschützten Sex? Die Polizei behandelte Prostitution schon so lange nicht mehr als Straftat, daß es Brunetti schwerfiel, sie als solche zu betrachten. Aber wenn jemand, der AIDS hatte, wissentlich ungeschützten Sexualverkehr hatte, war das doch sicher ein Verbrechen, obwohl es durchaus möglich war, daß die Gesetze hier hinter der Wahrheit herhinkten und es darum nicht illegal war. Er merkte, in welche moralischen Untiefen diese Unterscheidung führte, bestellte ein drittes Glas Sprudel und nahm sich den nächsten Namen auf seiner Liste vor.
    Francesco Crespo wohnte nur vier Straßen von Feltrinelli entfernt, aber es lagen Welten dazwischen. Brunetti stand vor einem eleganten, rechteckigen Bau mit viel Glas, der bei seiner Entstehung vor zehn Jahren der letzte Schrei in Sachen Urbanität gewesen sein mußte. Aber Italien ist ein Land, in dem neue Designideen nie länger gewürdigt werden, als bis sie umgesetzt sind, dann lassen die immer vorwärts Schauenden sie schon wieder fallen und folgen neuen bunten Fahnen, wie jene verdammten Seelen in Dantes Inferno, die für alle Ewigkeit ruhelos umherirren auf der Suche nach einer Fahne, die sie weder erkennen noch benennen können.
    Das Jahrzehnt, das seit dem Bau dieses Hauses verstrichen war, hatte den Zeitgeist mit sich fortgenommen, und das Gebäude sah jetzt höchstens noch wie eine hochkant gestellte Schachtel spaghettini aus. Das Glas der Fenster glänzte, und das Stückchen Land zwischen Haus und Straße war sorgsam gepflegt, aber nichts konnte verhindern, daß der Bau völlig deplaziert wirkte zwischen den niedrigeren, bescheideneren Gebäuden ringsum, in deren Mitte er mit solch naiver Gedankenlosigkeit errichtet worden war.
    Diesmal hatte Brunetti die Wohnungsnummer, und der klimatisierte Fahrstuhl brachte ihn rasch in den siebten Stock. Als die Tür zur Seite glitt, trat er in einen marmorgefliesten Korridor, der ebenfalls klimatisiert war.
    Er wandte sich nach rechts und drückte auf den Klingelknopf des
    appartamento D.
    Von drinnen hörte er ein Geräusch, aber niemand kam an die Tür. Er klingelte noch einmal. Das Geräusch wiederholte sich nicht, und die Tür blieb verschlossen. Er klingelte ein drittes Mal, dabei hielt er den Finger fest auf dem Knopf. Selbst durch die geschlossene Tür konnte er das Schrillen der Klingel hören, dann rief eine Stimme: »Basta. Vengo.«
    Er nahm den Finger vom Klingelknopf, und gleich darauf wurde die Tür von einem großen, kräftigen Mann aufgerissen, der eine Leinenhose und einen Pullover trug, Kaschmir offenbar. Brunetti warf einen kurzen Blick auf das Gesicht des Mannes und sah zwei dunkle Augen, wütende Augen, und eine schon mehrfach gebrochene Nase, doch dann fiel sein Blick wieder auf den hochgeschlossenen Pullover und blieb dort hängen. Es war Mitte August, die Leute kippten auf der Straße um vor Hitze, und dieser Mann trug einen Kaschmirpullover! Brunetti richtete den Blick wieder aufs Gesicht des Mannes und fragte: »Signor Crespo?«
    »Wer will was von ihm?« fragte der Mann zurück, ohne seine Verärgerung und Aggressivität im mindesten zu verhehlen.
    »Commissario Guido Brunetti«, antwortete er und zückte wieder einmal seinen Ausweis. Dieser Mann mußte, genau wie Feltrinelli, nur einen flüchtigen Blick darauf werfen, um zu erkennen, was es war. Er machte unvermittelt einen Schritt auf Brunetti zu, vielleicht in der Hoffnung, ihn durch seine aggressive Haltung in den Hausflur zurückzudrängen. Aber Brunetti rührte sich nicht von der Stelle, und der andere wich zurück. »Er ist nicht da.«
    Irgendwo in der Wohnung hörte man etwas Schweres zu Boden fallen.
    Diesmal war es Brunetti, der einen Schritt nach vorn machte und den anderen damit von der Tür

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