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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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versuche, sie mir immer anzuschauen«, antwortete Gallo mit unveränderter Stimme. »Dann nehme ich bereitwilliger die Arbeit auf mich, nach denen zu suchen, die sie umgebracht haben.«
    »Was ist Ihre Meinung, Sergente?« fragte Brunetti, während er sich in dem Stuhl neben Gallos Schreibtisch niederließ und die blaue Mappe auf die Tischplatte legte, als sollte sie ein greifbares Symbol für den Mord sein.
    Gallo überlegte lange, bevor er antwortete. »Ich meine, es könnte in einem furchtbaren Wutanfall geschehen sein.« Brunetti nickte zu dieser Möglichkeit. »Oder, wie Sie schon sagten, Dottore, um die Identität des Opfers zu verschleiern.« Nach kurzer Pause ergänzte er, vielleicht in Erinnerung an das, was er in der Leichenhalle gesehen hatte: »Oder zu zerstören.«
    »Das ist in der heutigen Zeit so gut wie unmöglich, glauben Sie nicht, Sergente?«
    »Unmöglich?«
    »Es sei denn, ein Mensch ist irgendwo ganz fremd oder lebt ohne Familie oder Freunde. Sonst würde doch sein Verschwinden innerhalb weniger Tage - meist sogar weniger Stunden - bemerkt. Niemand kann mehr einfach verschwinden.«
    »Dann kommt vielleicht doch eher Wut in Frage«, sagte Gallo. »Er könnte etwas zu einem Kunden gesagt oder etwas getan haben, womit er ihn in Rage versetzt hat. Ich weiß nicht viel über die Männer in dem Ordner, den ich Ihnen gestern mitgegeben habe. Ich bin kein Psychologe oder so etwas, habe also keine Ahnung, was sie bewegt, aber ich vermute, daß die Männer, die sie bezahlen, viel labiler sind als die Männer, die bezahlt werden. - Also doch Wut?«
    »Und warum ihn in eine Gegend bringen, wo bekanntermaßen die Huren arbeiten?« fragte Brunetti. »Das deutet doch eher auf Intelligenz hin als auf Wut.«
    Gallo reagierte schnell in diesem Test, dem der neue Commissario ihn unterzog: »Er könnte nach der Tat zur Besinnung gekommen sein. Vielleicht hat er ihn in seiner Wohnung umgebracht oder irgendwo, wo man einen von ihnen kannte, da mußte er die Leiche wegbringen. Und wenn er zu denen gehört - der Mörder, meine ich - wenn er zu denen gehört, die zu diesen Transvestiten gehen, dann weiß er auch, wo die Huren sind. Es wäre also gar nicht so unlogisch, ihn dorthin zu bringen, um den Verdacht auf die zu lenken, die zu den Huren gehen.«
    »Ja«, meinte Brunetti gedehnt, und Gallo wartete auf das »aber«, das sich im Ton des Commissario schon ankündigte. »Aber damit würde man unterstellen, daß Huren und Huren dasselbe sind.«
    »Wie bitte?«
    »Daß männliche Huren dasselbe sind wie weibliche oder daß sie zumindest in derselben Gegend arbeiten. Soweit ich gestern gehört und gesehen habe, sieht es aber so aus, als wäre die Gegend um den Schlachthof den weiblichen Huren vorbehalten.« Gallo dachte darüber nach, und Brunetti fügte ermunternd hinzu: »Aber dies ist Ihre Stadt, und Sie wissen sicher besser Bescheid darüber als ich, der ich hier mehr oder weniger fremd bin.«
    Gallo grinste ein bißchen bei dem Kompliment und nickte. »Normalerweise sind es schon die Mädchen, die in den Wiesen draußen bei den Fabriken arbeiten. Aber wir haben auch immer mehr junge Männer - darunter viele Slawen und Nordafrikaner -, und vielleicht waren sie ja gezwungen, auf neues Gebiet auszuweichen.«
    »Haben Sie irgendwelche Gerüchte darüber gehört?«
    »Nicht persönlich, Commissario. Aber ich habe in der Regel nicht viel mit den Huren zu tun, es sei denn, sie sind in Gewaltverbrechen verwickelt.«
    »Kommt das oft vor?«
    Gallo schüttelte den Kopf. »Und wenn es vorkommt, haben die Frauen meist Angst, uns zu informieren; sie fürchten, im Gefängnis zu landen, egal, wer für die Gewalt verantwortlich war. Außerdem sind viele illegal hier und scheuen sich, zu uns zu kommen, weil sie Angst haben, abgeschoben zu werden, wenn sie in irgendwelche Schwierigkeiten geraten. Und viele Männer schlagen gerne zu. Die Mädchen lernen wahrscheinlich, solche Typen zu erkennen, oder bekommen Tips von anderen Mädchen und versuchen dann, ihnen aus dem Weg zu gehen.
    Die Männer dürften eher in der Lage sein, sich zu verteidigen. In den Unterlagen haben Sie ja gesehen, wie kräftig einige von ihnen sind. Hübsche Kerle, manche sogar schön, aber eben doch Männer. Ich könnte mir vorstellen, daß sie solchen Ärger nicht so oft haben. Oder wenn doch, wüßten sie zumindest besser, wie sie sich verteidigen können.«
    »Haben Sie den Autopsiebericht schon?« fragte Brunetti.
    Gallo nahm ein paar Blätter und reichte

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