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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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sie ihm. »Er kam vorhin, als Sie im Krankenhaus waren.«
    Brunetti überflog das Geschriebene rasch, Jargon und Terminologie waren ihm vertraut. Keine Einstichstellen, also hatte der Verstorbene sich keine Drogen gespritzt. Größe, Gewicht, allgemeine körperliche Verfassung, all die Dinge, die Brunetti gesehen hatte, waren aufgelistet, aber bis ins kleinste, meßbare Detail. Das Make-up, von dem der Wärter gesprochen hatte, wurde erwähnt, doch nur als »signifikante Spuren von Lippenstift- und Augen-Make-up«. Es gab keine Hinweise auf kürzliche sexuelle Betätigung, weder aktiver noch passiver Art. Die Untersuchung der Hände wies auf eine sitzende Beschäftigung hin; die Nägel waren kurz geschnitten, und die Handflächen zeigten keine Schwielen. Abschürfungen am Körper bestätigten die Annahme, daß der Mann an einem anderen Ort umgebracht und anschließend dahin geschafft worden war, wo man ihn gefunden hatte, aber durch die intensive Hitze, der er ausgesetzt gewesen war, konnte man unmöglich genauer bestimmen, wieviel Zeit zwischen dem Mord und seiner Entdeckung lag; man konnte äußerstenfalls von einem Zeitraum zwischen zwölf und zwanzig Stunden sprechen.
    Brunetti sah zu Gallo und fragte: »Haben Sie es schon gelesen?«
    »Ja, Commissario.«
    »Und, was sagen Sie dazu?«
    »Wir müssen uns wohl immer noch zwischen Wut und Gerissenheit entscheiden.«
    »Aber erst einmal müssen wir herausfinden, wer er ist«, sagte Brunetti. »Wie viele Leute sind für den Fall eingeteilt?«
    »Da wäre Scarpa.«
    »Der Mann, der gestern draußen in der Sonne gestanden hat?«
    Gallos ruhiges: »Ja, Commissario«, sagte Brunetti, daß er von dem Zwischenfall gehört hatte und ihn mißbilligte. »Er ist der einzige Beamte, der eingeteilt ist. Der Tod von Prostituierten hat keinen so großen Vorrang, besonders im Sommer nicht, wenn wir sowieso weniger sind.«
    »Und sonst keiner?« fragte Brunetti.
    »Der Fall wurde mir vorläufig zugeteilt, weil ich den Anruf entgegengenommen und die Squadra Mobile losgeschickt habe. Unser ViceQuestore hier in Mestre hat vorgeschlagen, daß Sergente Buffo ihn weiterverfolgen soll, weil er zum Fundort der Leiche gefahren ist.«
    »Aha«, meinte Brunetti nachdenklich. »Gibt es eine Alternative?«
    »Sie meinen, ob es eine Alternative zu Sergente Buffo gibt?«
    »Ja.«
    »Sie könnten darum nachsuchen, da Sie mit mir zuerst Kontakt hatten und wir den Fall lang und breit besprochen haben...« Hier legte Gallo eine Pause ein, als wollte er die Länge und Breite noch weiter ausdehnen. Dann fuhr er fort: »Es spart vielleicht Zeit, wenn ich weiter an dem Fall bleibe.«
    »Wer ist der zuständige Vice-Questore?«
    »Nasci.«
    »Wird sie... ich meine, wird sie es für sinnvoll halten?«
    »Ich bin sicher, daß sie zustimmen wird, wenn das Ersuchen von einem Commissario kommt. Ganz besonders, da Sie extra herkommen, um bei uns einzuspringen.«
    »Gut. Lassen Sie das Ersuchen aufsetzen, ich unterschreibe es vor dem Mittagessen.« Gallo nickte, machte sich eine Notiz, und sah Brunetti dann abwartend an. »Und Ihre Leute sollen sich die Kleider und Schuhe vornehmen, die er anhatte.« Gallo nickte wieder und notierte auch das.
    Brunetti schlug den blauen Ordner auf, den er am Abend zuvor durchgelesen hatte, und deutete auf eine Liste mit Namen und Adressen, die an die Innenseite des Deckels geheftet war. »Ich glaube, wir fangen am besten damit an, daß wir diese Leute hier über das Opfer befragen, ob sie wissen, wer der Mann war, ob sie ihn erkennen oder ihnen jemand einfällt, der ihn möglicherweise gekannt hat. Der Pathologe schätzt ihn auf Anfang vierzig. Von den Männern in dem Ordner hier ist keiner so alt, die meisten sind sogar unter dreißig, wenn er also aus der Gegend stammt, ist er schon wegen seines Alters aufgefallen, und man kennt ihn.«
    »Wie wollen Sie es machen, Commissario?«
    »Ich denke, wir sollten die Liste dreiteilen, dann können Sie und ich und Scarpa gleich anfangen, das Bild herumzuzeigen und Fragen zu stellen.«
    »Das sind aber keine Leute, die sich mit Polizisten unterhalten wollen, Commissario.«
    »Dann sollten wir ein zweites Foto mitnehmen, eins von denen, die ihn zeigen, wie er auf der Wiese gefunden wurde. Ich denke, wenn wir die Leute überzeugen, daß ihnen das gleiche passieren könnte, werden sie vielleicht etwas bereitwilliger mit uns reden.«
    »Ich lasse Scarpa heraufkommen«, sagte Gallo und griff zum Telefonhörer.

7
    A uch wenn erst später

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