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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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erkennen.«
    Feltrinelli trat vom Zeichentisch an ein kleines Fenster linker Hand, und Brunetti wurde mit einemmal klar, warum der Raum so eingerichtet war: Das Ganze diente nur dem Zweck, die Aufmerksamkeit von diesem Fenster und der tristen Backsteinmauer abzulenken, die nur zwei Meter dahinter stand. »Und wenn nicht?« fragte Feltrinelli.
    »Wenn was nicht? Wenn Sie ihn nicht erkennen?«
    »Nein, wenn ich mir das Bild nicht ansehe?«
    In dem Zimmer war weder eine Klimaanlage noch ein Ventilator, und es roch nach billigen Zigaretten; Brunetti glaubte regelrecht zu fühlen, wie der Geruch sich in seinen feuchten Kleidern und seinen Haaren einnistete. »Signor Feltrinelli, ich bitte Sie, Ihrer Bürgerpflicht nachzukommen und der Polizei bei den Ermittlungen in einem Mordfall zu helfen. Wir wollen nur das Opfer identifizieren. Vorher können wir mit unseren Ermittlungen nicht anfangen.«
    »Ist es der, den Sie gestern auf der Wiese draußen gefunden haben?«
    »Ja.«
    »Und Sie glauben, es könnte einer von uns sein?« Was er mit »uns« meinte, brauchte Feltrinelli nicht zu erklären.
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Das spielt für Sie keine Rolle.«
    »Aber Sie glauben, daß er ein Transvestit ist?«
    »Ja.«
    »Und einer, der als Hure arbeitet?«
    »Vielleicht«, antwortete Brunetti.
    Feltrinelli wandte sich vom Fenster ab und kam durchs Zimmer auf Brunetti zu. Er streckte die Hand aus. »Zeigen Sie mir das Bild.«
    Brunetti schlug die Mappe auf, die er in der Hand hielt, und nahm eine Fotokopie der Skizze heraus. Dabei sah er, daß die knallblaue Mappe auf seine feuchte Handfläche abgefärbt hatte. Er reichte das Blatt Feltrinelli, der es einige Augenblicke eingehend betrachtete, dann mit der freien Hand den Haaransatz des Mannes auf dem Bild abdeckte und es erneut genau ansah. Schließlich gab er Brunetti das Blatt zurück und schüttelte den Kopf. »Nein, den habe ich noch nie gesehen.«
    Brunetti glaubte ihm. Er legte die Skizze in die Mappe zurück. »Wissen Sie jemanden, der uns vielleicht helfen könnte, den Mann zu identifizieren?«
    »Ich nehme an. Sie gehen nach einer Liste vor, auf der diejenigen von uns stehen, die schon mal festgenommen wurden«, sagte Feltrinelli, dessen Stimme nicht mehr ganz so unwillig klang.
    »Ja. Wir kommen an keine anderen Leute heran, denen wir das Bild zeigen könnten.«
    »Sie meinen bisher noch nie Festgenommene, wenn ich Sie recht verstehe«, sagte Feltrinelli und fragte dann: »Haben Sie noch so eine Skizze?«
    Brunetti nahm eine aus der Mappe und gab sie ihm nebst seiner Visitenkarte. »Sie müßten allerdings dann bei der Questura in Mestre anrufen, aber Sie können nach mir fragen. Oder nach Sergente Gallo.«
    »Wie ist er umgebracht worden?«
    »Das steht in den Morgenzeitungen.«
    »Ich lese keine Zeitungen.«
    »Er wurde erschlagen.«
    »Auf der Wiese?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen, Signore.«
    Feltrinelli legte das Blatt mit dem Gesicht nach oben auf den Zeichentisch und zündete sich eine neue Zigarette an.
    »Also gut«, sagte er. »Ich habe das Bild. Ich werde es ein paar Leuten zeigen. Wenn ich etwas erfahre, lasse ich es Sie wissen.«
    »Sind Sie Architekt, Signor Feltrinelli?«
    »Ja. Ich habe eine laurea d'architettura. Aber ich arbeite nicht. Ich meine, ich bin arbeitslos.«
    Mit einer Kopfbewegung zu dem Transparentpapier auf dem Zeichenbrett fragte Brunetti: »Aber Sie arbeiten an einem Projekt?«
    »Nur zu meinem Vergnügen, Commissario. Meine Stelle habe ich verloren.«
    »Das tut mir leid, Signore.«
    Feltrinelli steckte die Hände in die Hosentaschen und sah zu Brunetti hinüber. Mit betont neutraler Stimme sagte er: »Ich war in Ägypten und habe dort im Auftrag der Regierung Häuser für den sozialen Wohnungsbau entworfen. Aber dann beschlossen sie, alle Ausländer einem jährlichen AIDS-Test zu unterziehen. Ich habe meinen letztes Jahr nicht bestanden; daraufhin haben sie mich rausgeworfen und nach Hause geschickt.«
    Brunetti sagte nichts dazu, und Feltrinelli fuhr fort: »Als ich hierher zurückkam, habe ich versucht, eine Arbeit zu finden, aber Sie wissen wahrscheinlich, daß es Architekten gibt wie Sand am Meer. Daraufhin«, er hielt inne, als überlegte er, wie er sich ausdrücken sollte, »daraufhin habe ich einen anderen Beruf ergriffen.«
    »Meinen Sie die Prostitution?« fragte Brunetti.
    »Ja.«
    »Machen Sie sich keine Gedanken über das Risiko?«
    »Risiko?« Feltrinelli lächelte fast wieder so wie vorhin an der Tür. Brunetti sagte

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