Brunetti 03 - Venezianische Scharade
Luxus darstellte - ein Einzelhaus und nur von einer Person bewohnt -, ragten links und rechts neben der Tür aus zwei Terrakottakübeln Jasminbüsche und verströmten ihren Duft. Padovani öffnete fast augenblicklich und streckte Brunetti die Hand entgegen. Sein Händedruck war fest und warm, er zog Brunetti ins Haus. »Komm aus der Hitze. Ich muß verrückt sein, jetzt nach Rom zurückzufahren, aber wenigstens hat meine Wohnung dort eine Klimaanlage.«
Er ließ Brunettis Hand los und trat zurück. Wie alle Leute, die sich lange nicht gesehen haben, versuchten beide unauffällig festzustellen, ob der andere sich verändert hatte. War er dicker, dünner, grauhaariger, älter geworden?
Nachdem Brunetti gesehen hatte, daß Padovani sich immer noch als das untersetzte Rauhbein gab, das er so eindeutig nicht war, wandte er sich dem Raum zu, in dem sie standen. In der Mitte reichte der Blick über zwei Stockwerke hinauf bis unters Dach mit eingelassenen Oberlichtern. Dieser offene Raum wurde an drei Seiten von einer Galerie umrahmt, zu der man über eine Holztreppe gelangte. Die vierte Seite war geschlossen und barg wahrscheinlich das Schlafzimmer.
»Was war das hier früher, ein Bootshaus?« fragte Brunetti, der an den kleinen Kanal draußen dachte. Von dort aus hätte man Boote, die zur Reparatur gebracht wurden, leicht hereinziehen können.
»Gut geraten. Stimmt. Als ich es kaufte, wurde hier drin noch an Booten gearbeitet, und das Dach hatte Löcher so groß wie Wassermelonen.«
»Wie lange hast du es schon?« erkundigte sich Brunetti, während er sich umsah und grob überschlug, wieviel Arbeit und Geld wohl investiert worden war, um das Ganze in den jetzigen Zustand zu versetzen.
»Acht Jahre.«
»Du hast viel reingesteckt. Und wie angenehm für dich, daß du keine Nachbarn hast.« Brunetti gab ihm die in weißes Seidenpapier gewickelte Flasche.
»Ich habe doch gesagt, du sollst nichts mitbringen.«
»Der wird nicht schlecht«, meinte Brunetti lächelnd.
»Danke, aber es war nicht nötig«, sagte Padovani, obwohl er wußte, daß man als Essensgast ebensowenig ohne Gastgeschenk erscheinen wie als Gastgeber Sägespäne und Brennesseln servieren durfte. »Mach's dir bequem und schau dich ein bißchen um, ich gehe mal nach dem Essen sehen«, sagte Padovani und wandte sich einer Tür mit Buntglasfüllung zu, die in die Küche führte. »In dem Behälter da ist Eis, falls du einen Drink möchtest.«
Er verschwand hinter der Tür, und Brunetti hörte die vertrauten Geräusche von Töpfen und Deckeln und fließendem Wasser. Sein Blick fiel auf den Fußboden aus dunklem Eichenparkett - etwas Unbehagen bereitete ihm ein angekohlter Halbkreis vor dem offenen Kamin, weil er sich nicht entscheiden konnte, ob er es gut fand, Bequemlichkeit vor Sicherheit zu setzen, oder ob er es nicht gut fand, einen so schönen Boden zu ruinieren. Über dem Kamin war ein langer Balken eingemauert, auf dem bunte Commedia-dell'arte-Figurinen aus Keramik paradierten. Zwei Wände hingen voller Bilder, bei deren Anordnung keinerlei Versuch gemacht worden war, sie nach Stil oder Schule zu sortieren; sie hingen nur da und warben um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Selbst die kühnsten unter ihnen zeugten von Geschmack. Er erkannte einen Guttuso, ein Maler, den er nie besonders geschätzt hatte, und einen Morandi, den er mochte. Drei Ferruzzis waren darunter, die alle Zeugnis von der Schönheit der Stadt ablegten. Gleich links neben dem Kamin blickte eine Madonna, eindeutig florentinische Schule und wahrscheinlich 15. Jahrhundert, verzückt auf wieder so ein häßliches Kind. Eines der Geheimnisse, von denen Paola und Brunetti keinem erzählten, war ihre jahrzehntelange Suche nach dem häßlichsten Jesuskind der abendländischen Kunst. Derzeit wurde dieser Titel von einem besonders abstoßenden Geschöpf im Ausstellungsraum Nummer dreizehn der Pinacoteca di Siena gehalten. Auch wenn das Baby vor Brunettis Augen bestimmt keine Schönheit war, es machte Siena den Titel nicht streitig. Entlang der einen Wand war ein langes Bord aus geschnitztem Holz angebracht, das wohl einmal zu einem Schrank oder einer Vitrine gehört hatte. Darauf standen Keramikschüsseln in leuchtenden Farben, deren streng geometrische Muster und schwungvolle Kalligraphie eindeutig auf ihren islamischen Ursprung verwies.
Die Tür ging auf, und Padovani kam herein. »Möchtest du keinen Aperitif?«
»Nein, aber ein Glas Wein wäre schön. Ich trinke nicht gern
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