Brunetti 03 - Venezianische Scharade
deine Nachricht bekommen.«
»Professore?« fragte Brunetti.
»Ach das«, antwortete der Journalist wegwerfend. »Es klingt so nett, darum probiere ich es diese Woche mal auf meinem Anrufbeantworter aus. Warum? Gefällt es dir nicht?«
»Doch, natürlich«, hörte Brunetti sich sagen. »Es klingt sehr gut. Aber was bist du denn für ein professore?«
An Padovanis Ende trat ein langes Schweigen ein. »Ich habe in den Siebzigern mal an einer Mädchenschule ein paar Malkurse gegeben. Meinst du, das zählt?«
»Gut möglich«, räumte Brunetti ein.
»Na ja, vielleicht sollte ich die Ansage mal wieder ändern. Wie findest du Commendatore? Commendatore Padovani? Ja, ich glaube, das gefällt mir. Soll ich es gleich ändern, und du rufst mich dann wieder an?«
»Nein, ich glaube nicht, Damiano. Ich möchte gern über etwas anderes mit dir reden.«
»Auch gut. Es dauert immer ewig, die Ansage zu ändern. So viele Knöpfe, die man drücken muß. Beim ersten Mal habe ich mich versehentlich selbst dabei aufgenommen, wie ich diesen Apparat beschimpfe. Eine Woche lang hat kein Mensch eine Nachricht hinterlassen, und ich dachte schon, das Ding funktioniert nicht, bis ich mich schließlich aus einer Zelle selbst angerufen habe. Schockierend, was diese Maschine mir alles an den Kopf geworfen hat. Ich bin nach Hause gerast und habe es sofort geändert.
Aber ich finde es immer noch alles sehr verwirrend. Bist du sicher, daß du mich nicht doch lieber in zwanzig Minuten zurückrufen willst?«
»Nein, ich glaube nicht, Damiano. Hast du jetzt Zeit für mich?«
»Für dich, Guido, bin ich, wie ein englischer Dichter in ganz anderem Zusammenhang einmal sagte: ›frei wie die Flucht, wild wie der Wind‹.«
Brunetti wußte, daß er jetzt eigentlich nachfragen sollte, aber er tat es nicht. »Es könnte ein längeres Gespräch werden, Damiano. Würdest du irgendwo mit mir essen gehen?«
»Und was ist mit Paola?«
»Sie ist mit den Kindern in die Berge gefahren.«
Auf Padovanis Seite herrschte einen Moment lang Schweigen, ein Schweigen, das Brunetti nur als sehr nachdenklich interpretieren konnte. »Ich muß hier einen Mordfall aufklären, das Hotel war aber schon seit Monaten gebucht, darum ist Paola mit den Kindern allein nach Bozen gefahren. Wenn ich rechtzeitig fertig bin, fahre ich auch hin. Aus dem Grund habe ich dich angerufen. Ich dachte, du könntest mir vielleicht helfen.«
»Bei einem Mordfall? Wie aufregend. Seit AIDS habe ich so wenig mit den kriminellen Kreisen zu tun.«
»Ach ja«, sagte Brunetti, dem so schnell keine passende Antwort einfiel. »Wollen wir zusammen essen gehen? Wo immer du magst.«
Padovani überlegte ein Weilchen, dann sagte er: »Guido, ich fahre morgen nach Rom zurück und habe das ganze Haus voller Lebensmittel. Wäre es dir genehm, zu mir zu kommen und mir beim Vertilgen der Reste zu helfen? Es gibt nichts Großartiges, nur Pasta, und was ich sonst noch so finde.«
»Ja, gern. Wo wohnst du?«
»In Dorsoduro. Weißt du, wo der Ramo dietro gli Incurabili ist?«
Es war ein kleiner Campo mit einem Brunnen, gleich hinter den Fondamenta della Zattere. »Ja, kenne ich.«
»Stell dich mit dem Rücken zum Brunnen, mit Blick auf den kleinen Kanal, dann ist es die erste Tür rechts.« Das war viel klarer als eine Hausnummer oder ein Straßenname, und jeder Venezianer würde problemlos hinfinden.
»Gut, um welche Zeit?«
»Acht Uhr.«
»Soll ich etwas mitbringen?«
»Bloß nicht. Alles, was du mitbringst, müssen wir nur aufessen, und ich habe genug für eine Fußballmannschaft. Also nichts. Bitte.«
»Na gut. Bis acht Uhr dann. Und vielen Dank, Damiano.«
»Ich freue mich. Worüber willst du mich denn ausquetschen? Oder sollte ich lieber sagen, über wen? Vielleicht kann ich ja inzwischen mein Gedächtnis anstrengen oder sogar ein paar Telefonate führen.«
»Über zwei Männer. Einer ist Leonardo Mascari.«
»Nie gehört«, unterbrach Padovani.
»Der andere ist Giancarlo Santomauro.«
Padovani pfiff durch die Zähne. »Soso. Da habt ihr also endlich den frommen Avvocato am Wickel?«
»Wir sehen uns um acht«, sagte Brunetti. »Keine Antwort ist auch eine Antwort«, sagte Padovani mit einem Lachen und legte auf.
Um acht Uhr drückte Brunetti, frisch geduscht und rasiert und mit einer Flasche Barbera bewaffnet, auf die Klingel an der Tür rechts von dem kleinen Brunnen in der Ramo dietro gli Incurabili. Vor dem Haus, das nur eine Klingel hatte und damit wohl den größten denkbaren
Weitere Kostenlose Bücher