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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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schon tot, und ihre Leiche trieb in dem schmutzigen Wasser, das die Stadt erobert hatte.
    »Und wenn nicht?« fragte Flavia so schnell, daß Brunetti überzeugt war, sie müsse die gleiche Vision von Bretts Schicksal gehabt haben.
    Statt ihre Frage zu beantworten, sagte er: »Ich fände es besser, wenn du hierbleibst. Oder geh in die Wohnung zurück. Du kannst nichts tun.«
    Sie ließ sich erst gar nicht auf eine Debatte mit ihm ein, sondern wischte seine Worte mit einer Handbewegung beiseite und fragte: »Er hatte doch jetzt Zeit genug, ja?« Ehe Brunetti antworten konnte, drängte sie sich an ihm vorbei zur Bar hinaus und auf den campo, wo sie ihren Schirm aufspannte und wartend stehenblieb.
    Er ging ihr nach und stellte sich schützend vor sie in den Wind. »Nein. Du kannst nicht mitkommen. Das ist Sache der Polizei.«
    Der Wind zerrte an ihnen, wehte Flavia die Haare ins Gesicht und in die Augen. Sie strich sie ärgerlich nach hinten und sah unbewegt zu ihm auf. »Ich weiß, wo das ist. Entweder komme ich also gleich mit, oder ich laufe dir nach.«
    Als er protestieren wollte, schnitt sie ihm das Wort ab. »Es ist mein Leben, Guido.«
    Brunetti wandte sich ab und bog in die Calle Dolera, zornrot im Gesicht und drauf und dran, sie mit Gewalt in die Bar zurückzubringen und dort anzubinden. Als sie sich dem Palazzo näherten, war die schmale calle zu seiner Überraschung leer. Von Vianello war nichts zu sehen, die schwere Holztür schien zu. Als sie davorstanden, wurde sie aber plötzlich von innen geöffnet. Eine große Hand erschien und winkte sie herein, dann tauchte Vianellos Gesicht im spärlichen Licht der calle auf, grinsend und von Regenwasser überströmt.
    Brunetti zwängte sich hinein, aber bevor er die Tür zumachen konnte, war Flavia schon hinter ihm in den Hof geschlüpft. Sie blieben einen Moment stehen, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. »Viel zu einfach«, sagte Vianello und drückte die Tür hinter ihnen zu.
    Da sie nahe am Canal Grande waren, stand das Wasser hier noch höher und hatte den Innenhof in einen großen See verwandelt, auf den der Regen weiter heftig niederprasselte. Einzige Lichtquelle waren die erhellten Fenster auf der linken Seite des Palazzo, deren Schein in die Mitte des Hofes fiel, während die Seite, auf der sie standen, in tiefem Dunkel lag. Stumm stahlen sie sich alle drei aus dem Regen unter den langen Balkon, der an drei Seiten des Hofs am Gebäude entlang verlief; hier waren sie fast unsichtbar, sogar füreinander.
    Brunetti machte sich jetzt klar, daß er rein impulsiv hergekommen war, ohne zu überlegen, was er tun wollte, wenn er erst drinnen war. Er war erst einmal in diesem Palazzo gewesen, und da hatte man ihn so schnell ins oberste Stockwerk geführt, daß er vom Grundriß des Gebäudes nicht viel mitbekommen hatte. Er erinnerte sich, an Türen vorbeigekommen zu sein, die von der Außentreppe zu den Zimmern in den einzelnen Stockwerken führten, wußte aber nicht, was dahinter lag, bis auf den einen Raum ganz oben, in dem er mit La Capra gesprochen hatte, sowie dessen Arbeitszimmer eine Etage tiefer. Außerdem kam ihm jetzt der Gedanke, daß er sich als Staatsdiener gerade an einer Straftat beteiligte; und mehr noch: Er hatte in diese Straftat nicht nur eine Zivilperson, sondern auch noch einen Untergebenen mit hineingezogen.
    »Warte hier«, flüsterte Brunetti, den Mund dicht an Flavias Ohr, obwohl das Rauschen des Regens seine Worte ohnehin übertönte. Es war zu finster, um zu sehen, wie sie darauf reagierte, aber er spürte, daß sie sich tiefer ins Dunkel zurückzog.
    »Vianello«, sagte er, wobei er nach dem Arm des Sergente tastete und ihn näher zu sich zog, »ich gehe die Treppe rauf und versuche hineinzukommen. Wenn es brenzlig wird, bringen Sie die Frau in Sicherheit.
    Kümmern Sie sich um nichts und niemanden, es sei denn, man versucht Sie aufzuhalten.« Vianello brummte zustimmend. Brunetti drehte sich um und machte ein paar Schritte auf die Treppe zu, wobei er die Beine langsam durchs Wasser zog. Erst als er die zweite Stufe erreicht hatte, waren seine Füße endlich frei von dem hinderlichen Sog. Der Wechsel war so plötzlich, daß er das Gefühl hatte, mühelos nach oben schweben oder fliegen zu können. Diese Befreiung machte ihn jedoch auch frei, die beißende Kälte zu fühlen, die von dem eisigen Wasser in seinen Stiefeln und der durchnäßten Kleidung ausging, die schwer an seinem Körper hing. Er bückte sich, zog die

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