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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Stiefel aus und wollte schon weitergehen, drehte sich aber noch einmal um und schubste die Stiefel ins Wasser. Er wartete, bis sie untergegangen waren, dann machte er sich wieder auf den Weg nach oben.
    Am ersten Treppenabsatz blieb er auf dem schmalen Balkon stehen und drückte die Klinke an der Tür, die nach drinnen führte. Sie ließ sich zwar niederdrücken, aber die Tür war zugeschlossen und ging nicht auf. Er stieg weiter, doch auch auf dem nächsten Treppenabsatz fand er die Tür verschlossen.
    Er beugte sich übers Geländer und sah in den Hof, wo Flavia und Vianello stehen mußten, konnte aber nichts erkennen, nur das unruhige Lichtmuster auf der Wasseroberfläche, auf die es noch immer regnete.
    Zu seiner Überraschung ließ sich die oberste Tür öffnen, und er fand sich am Anfang eines langen Flurs wieder. Er ging hinein, zog die Tür hinter sich zu und stand einen Augenblick still, im Ohr nur das Geräusch der Wassertropfen, die von seinem Mantel auf den Marmorboden fielen.
    Langsam gewöhnten seine Augen sich an das Licht im Gang, während er wartete und angestrengt lauschte, ob aus einer der Türen auf diesem Flur etwas zu hören war.
    Plötzlich schüttelte die Kälte ihn so, daß er den Kopf senkte und die Schultern hochzog, um irgendwo in seinem Körper etwas Wärme zu finden. Als er wieder aufsah, stand in einer offenen Tür nur wenige Meter vor ihm La Capra, den Mund halb offen vor Überraschung.
    La Capra fing sich als erster und lächelte liebenswürdig. »Signor poliziotto, Sie sind also wiedergekommen. Welch erfreulicher Zufall. Gerade habe ich die letzten Stücke meiner Sammlung in die Galerie gebracht. Vielleicht möchten Sie jetzt einen Blick darauf werfen?«

24
    Brunetti folgte ihm in die Galerie und ließ den Blick über die erhöhten Vitrinen und die Postamente wandern. La Capra drehte sich um und sagte: »Ach, geben Sie mir doch Ihren Mantel. Sie müssen ja halb erfroren sein, wenn Sie in dem Regen da draußen waren. In so einer Nacht.« Er schüttelte schon bei dem bloßen Gedanken den Kopf.
    Brunetti zog den Mantel aus und merkte, als er ihn La Capra gab, wie schwer er von der Nässe war. Der andere war offenbar auch erstaunt über das Gewicht, und es fiel ihm nichts anderes ein, als ihn über einen Stuhl zu hängen, von wo das Wasser in kleinen Bächen auf den Boden lief.
    »Was führt Sie diesmal zu mir, Dottore?« erkundigte sich La Capra. Aber bevor Brunetti antworten konnte, fragte er: »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Einen Grappa vielleicht? Oder einen heißen Grog? Bitte, ich kann nicht zulassen, daß Sie als Gast in meinem Haus so ausgekühlt herumstehen und nichts annehmen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, ging er zu einer Sprechanlage an der Wand und drückte einen Knopf. Nach einigen Sekunden hörte man ein leises Klicken, und La Capra sprach ins Mikrofon. »Bring uns bitte eine Flasche Grappa und einen Grog herauf.«
    Mit einem Lächeln wandte er sich wieder Brunetti zu, ganz der vollkommene Gastgeber. »Es kommt gleich. Aber solange wir darauf warten, sagen Sie mir doch, Dottore: Was führt Sie so bald schon zu mir zurück?«
    »Ihre Sammlung, Signor La Capra. Ich habe mehr und mehr darüber erfahren. Und über Sie.«
    »Tatsächlich?« fragte La Capra, nach wie vor mit diesem Lächeln. »Ich hatte keine Ahnung, daß ich in Venedig so bekannt bin.«
    »Auch anderswo«, antwortete Brunetti. »In London zum Beispiel.«
    »In London?« La Capra mimte höfliches Erstaunen. »Wie seltsam. Ich glaube nicht, daß ich in London jemanden kenne.«
    »Nein, aber vielleicht haben Sie dort Stücke für Ihre Sammlung erworben.«
    »Ach ja, das könnte wohl sein«, antwortete La Capra, immer noch lächelnd.
    »Und in Paris«, fügte Brunetti hinzu.
    Wieder war La Capras Überraschung einstudiert, ganz als ob er das Wort Paris erwartet hätte, nachdem Brunetti schon London erwähnt hatte. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, wurde die Tür aufgestoßen, und herein kam ein junger Mann - nicht der, den Brunetti bei seinem vorigen Besuch gesehen hatte - mit einem Tablett, auf dem Flaschen, Gläser und eine silberne Thermoskanne standen. Er stellte das Tablett auf einem niedrigen Tischchen ab und wandte sich zum Gehen. Brunetti erkannte ihn sofort, nicht nur nach dem Foto aus der römischen Verbrecherkartei, sondern auch an der Ähnlichkeit mit seinem Vater.
    »Nein, bleib hier und trink etwas mit uns, Salvatore«, sagte La Capra. Dann zu Brunetti: »Was möchten Sie, Dottore?

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