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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Er schob den rechten Fuß vor, denn obwohl er genau wußte, daß es nur drei Stufen waren, wollte er sich das doch lieber zuerst von seinen Füßen bestätigen lassen. Nachdem das geschehen war, richtete er die Taschenlampe auf die zusammengekauerte Gestalt in der Nische und watete durch das Wasser, das ihm jetzt bis zu den Oberschenkeln reichte, auf sie zu.
    Im Gehen plante er, denn er war fest entschlossen, wenigstens noch ein bißchen Spaß für sich herauszuholen. Da er die Lampe nirgends ablegen konnte, mußte er sie aufrecht in die Tasche stecken und hoffen, auch so genug Licht zu haben, um ihr Gesicht beobachten zu können, wenn er sie tötete. Sie sah nicht so aus, als ob sie sich noch groß wehren könnte, aber da hatte er in der Vergangenheit schon Überraschungen erlebt und hoffte auch diesmal darauf. Ein großes Gerangel wollte er nicht, schon gar nicht in diesem Wasser, aber er fand, er verdiente zumindest eine symbolische Gegenwehr, wenn ihm schon alle anderen Freuden versagt waren, die er von ihr hätte haben können.
    Als er platschend auf sie zuging, hob sie den Kopf und sah ihn mit weitaufgerissenen, vom Licht geblendeten Augen an. »Ciao, bellezza«, flüsterte er lachend, das Lachen seines Vaters.
    Sie schloß die Augen und ließ den Kopf auf die Knie zurücksinken. Mit der rechten Hand steckte er die Taschenlampe so in seine Jackentasche, daß ihr Licht ungefähr in Richtung der Frau fiel. Er sah sie zwar nur undeutlich, aber er fand, es könnte ausreichen.
    Bevor er tat, was zu tun er gekommen war, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, ihr ganz leicht an die Kinnbacke zu tippen, wie man ein teures Kristallglas antippt, um es klingen zu hören. Während er auf ihren Schrei wartete, drehte er sich, momentan abgelenkt, zur Seite, um die Lampe wieder aufzurichten, die in seiner Tasche nach hinten gekippt war. Und da er nach der Lampe und nicht nach seinem Opfer schaute, sah er nicht die geschlossene Faust von ihrer Seite hervorschießen. Er sah nicht die antike eherne Gürtelschließe, die aus der Faust hervorstand. Er bemerkte sie erst, als ihre stumpfe Spitze sich in seinen Hals bohrte, genau da, wo Kinnbacken und Hals zusammentreffen. Er fühlte die Kraft des Stoßes und zuckte zurück vor dem Schmerz. Er taumelte nach rechts und schaute gerade noch rechtzeitig zu ihr hin, um einen dicken roten Strahl auf sie spritzen zu sehen. Als er begriff, daß es sein eigenes Blut war, schrie er auf, aber da war es schon zu spät. Das Licht verlosch mit ihm, als er ins Wasser fiel und versank.

27
    Das Geräusch des Schlüssels im Schloß ließ Brunetti und La Capra beide zur Tür sehen, in der gleich darauf ein vor Nässe triefender Vianello erschien. »Wer sind Sie?« herrschte La Capra ihn an. »Was machen Sie hier?«
    Vianello beachtete ihn nicht und sagte zu Brunetti: »Ich glaube, Sie kommen besser mit, Commissario.«
    Brunetti setzte sich sofort in Bewegung und ging wortlos an Vianello vorbei durch die Tür. Erst am Ende des Korridors, bevor er in den noch immer niederprasselnden Regen hinaustrat, fragte er: »L'americana?«
    »Ja, Commissario.«
    »Wie geht es ihr?«
    »Ihre Freundin ist bei ihr, Commissario, aber wie es ihr geht, kann ich nicht sagen. Sie war sehr lange im Wasser.«
    Ohne auf Weiteres zu warten, stieß Brunetti die Tür auf und rannte die Treppen hinunter.
    Er fand sie gleich neben der Treppe, zusammengekauert unter Vianellos Mantel. In diesem Moment mußte im Haus jemand Licht gemacht haben, denn plötzlich war der Innenhof von blendender Helligkeit erfüllt, so hell, daß die beiden Frauen zu einer dunklen Pietà auf dem niedrigen Gesims wurden, das entlang der Innenmauer des Hofes verlief.
    Flavia kniete im Wasser, einen Arm um Brett gelegt, und hielt sie mit ihrem Körpergewicht an der Mauer aufrecht. Brunetti beugte sich über die beiden Frauen, die er nicht zu berühren wagte, und rief Flavias Namen. Sie sah zu ihm auf, und das blanke Entsetzen in ihrem Blick zwang ihn, die andere Frau genauer anzusehen. Bretts Haare waren blutverklebt; Blut lief ihr am Gesicht und vorn an der Kleidung hinunter.
    »Madre di Dio«, flüsterte er.
    Vianello kam platschend hinzu.
    »Rufen Sie in der Questura an, Vianello«, befahl Brunetti. »Nicht von hier. Von draußen. Die sollen uns ein Boot mit allen verfügbaren Leuten schicken. Und eine Ambulanz.«
    Vianello war schon auf dem Weg, bevor Brunetti das letzte Wort ausgesprochen hatte. Als er die schwere Eingangstür öffnete, entstand

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