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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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sie so, daß da Pré sie sehen konnte. »Ist das nicht ein schönes Stück?« meinte er begeistert. »Die hätte meinem Onkel gefallen, besonders diese Unterteilung in zwei Kammern.«
    Während die beiden Männer mit zusammengesteckten Köpfen weiter die kleinen Dosen betrachteten, sah Brunetti sich im Zimmer um. Drei der Bilder an den Wänden waren siebzehntes Jahrhundert, schlechte Bilder und schlechtes siebzehntes Jahrhundert: sterbende Hirsche, Eber und noch mehr Hirsche. Zuviel Blut und viel zuviel malerisch posierender Tod, als daß sie Brunetti interessiert hätten. Die anderen Bilder stellten offenbar biblische Szenen dar, aber auch sie hatten alle mit reichlich Blutvergießen zu tun, diesmal Menschenblut. Brunetti wandte seine Aufmerksamkeit der Zimmerdecke zu, die in der Mitte ein kunstvolles Stuckmedaillon hatte, von dem ein Kronleuchter mit unzähligen pastellfarbenen Blüten aus Muranoglas herunterhing.
    Er sah wieder zu den beiden Männern, die jetzt vor der offenen rechten Tür der Kredenz hockten. Auf den Regalbrettern standen weitere kleine Dosen, Hunderte, wie es Brunetti vorkam. Er fühlte sich einen Moment regelrecht erdrückt von der Fremdheit dieses Riesenzimmers, in dem so ein winziges Püppchen von einem Mann sich verschanzt hatte, nur mit diesen bunt emaillierten Andenken an eine vergessene Zeit, in einer Größe, die für ihn das wahre Maß aller Dinge sein mußte.
    Jetzt sah Brunetti die beiden Männer sich aufrichten. Da Pré schloß die Tür, kehrte zu seinem Stuhl zurück und nahm mit einem geübten Hopser seinen Platz wieder ein. Vianello blieb noch kurz stehen und ließ einen letzten bewundernden Blick über die auf der Platte stehenden Dosen wandern, dann ging auch er zu seinem Stuhl zurück.
    Brunetti wagte ein erstes Lächeln, das da Pré erwiderte, bevor er mit einem Blick auf Vianello meinte: »Ich wußte gar nicht, daß solche Leute bei der Polizei arbeiten.«
    Das hatte auch Brunetti nicht gewußt, aber es hinderte ihn keine Sekunde daran zu sagen: »Ja, der Sergente ist in der Questura durchaus bekannt für sein Interesse an Schnupftabakdosen.«
    Da Pré vernahm in Brunettis Ton die Ironie, mit der die Unerleuchteten stets den wahren Liebhaber betrachten, und erwiderte: »Schnupftabakdosen sind ein wichtiger Bestandteil der europäischen Kultur. Die besten Kunsthandwerker des Kontinents haben Jahre - Jahrzehnte - ihres Lebens mit ihrer Herstellung verbracht. Man konnte einem Menschen nicht besser seine Hochachtung zeigen als dadurch, daß man ihm eine Schnupftabakdose schenkte. Mozart, Haydn...« Vor Begeisterung verschlug es da Pré die Sprache, und er beendete den Vortrag, indem er mit einem seiner kleinen Ärmchen theatralisch auf die überladene Kredenz wies.
    Vianello, der während der ganzen Rede stumm genickt hatte, sagte zu Brunetti: »Ich fürchte, Sie verstehen das nicht, Commissario.«
    Brunetti wußte gar nicht, womit er es verdient hatte, daß ihm so ein schlauer Assistent gesandt worden war, der mit solcher Leichtigkeit selbst die widerborstigsten Zeugen zu entwaffnen verstand, und nickte demütig.
    »Hat Ihre Schwester diese Liebhaberei geteilt?« knüpfte Vianello nahtlos an.
    Der kleine Mann trat mit einem seiner winzigen Füßchen gegen die Querstrebe seines Stuhls. »Nein, meine Schwester hatte nichts dafür übrig.« Vianello schüttelte den Kopfüber soviel Unverstand, und dadurch ermutigt fügte da Pré hinzu: »Und auch für sonst nichts.«
    »Gar nichts?« fragte Vianello mit echt klingender Besorgnis in der Stimme.
    »Nichts«, wiederholte da Pré. »Wenn man ihre Schwärmerei für Pfaffen nicht mitzählt.« So, wie er dieses Schimpfwort betonte, konnte man annehmen, daß ihn bei Geistlichen höchstens die Lektüre ihrer Todesanzeigen in Schwärmerei versetzen konnte.
    Vianello schüttelte wieder den Kopf, als könnte er sich nichts Gefährlicheres vorstellen, insbesondere für eine Frau, als Priestern in die Hände zu fallen. Und mit schreckerfüllter Stimme fragte er: »Denen wird sie doch wohl nichts vermacht haben, oder?« Worauf er ebenso rasch hinzufügte: »Entschuldigung. Das zu fragen steht mir nicht zu.«
    »Ach was, das ist schon recht, Sergente«, sagte da Pré. »Versucht haben sie es, aber nicht eine Lira werden sie bekommen.« Ein hämisches Lächeln verbreitete sich auf seinem Gesicht, als er fortfuhr: »Keiner von denen, die sich etwas von ihrem Nachlaß erhofften, wird etwas bekommen.«
    Vianello zeigte mit einem breiten Lächeln, wie

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