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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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halten. Keine Predigt, habe ich ihm gesagt. Augusta hatte ihre Beerdigung vorher genau geregelt, sie wollte eine Seelenmesse. Darum kam ich also nicht herum. Aber sie hatte nicht ausdrücklich etwas von einer Predigt gesagt, also konnte ich wenigstens verhindern, daß die sich hinstellen und von einer anderen Welt faseln, wo alle frommen Seelen sich wiedersehen werden.« Da Pré lächelte; es war kein schönes Lächeln.
    »Einer von denen war bei der Beerdigung«, fuhr er fort. »Großer, dicker Kerl. Hinterher ist er zu mir gekommen und hat gemeint, welch großer Verlust Augusta für die ›Gemeinschaft der Christen‹ sei.« Der Sarkasmus, mit dem da Pré diese Worte aussprach, versengte die Luft um ihn herum. »Dann hat er noch irgendwas davon gesagt, wie großzügig sie immer gewesen sei, was für eine gute Freundin der Kirche.« Da Pré hielt wieder inne, offenbar um die Szene noch einmal befriedigt Revue passieren zu lassen.
    »Was haben Sie geantwortet?« fragte Vianello endlich.
    »Ich habe ihm gesagt, sie hätte ihre Großzügigkeit mit ins Grab genommen«, erklärte da Pré mit einem neuerlichen kalten Lächeln.
    Eine Weile sprachen weder Vianello noch Brunetti, dann fragte Brunetti: »Ist man an Sie herangetreten?«
    »Nein. Nichts da. Mein Anwalt meint, die wissen, auf was für tönernen Füßen ihre Sache steht, und daß sie wohl kommen und mich fragen werden, ob ich zu einer Spende bereit bin, wenn sie auf einen Prozeß verzichten.« Nach einer kleinen Weile führ da Pré fort: »Daß sie meine Schwester in den Fingern hatten, heißt noch nicht, daß sie ihr Geld in die Finger kriegen.«
    »Hat sie über dieses ›In-die-Finger-Kriegen‹, wie Sie es nennen, jemals gesprochen?« erkundigte sich Brunetti.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Hat sie Ihnen gesagt, daß man ihr in den Ohren liegt, sie soll dem Heim ihr Geld vermachen?«
    »Mir gesagt?«
    »Ja, hat sie während ihres Aufenthalts in der casa di cura je erwähnt, daß man sie zu überreden versucht, dem Heim ihr Geld zu vermachen?«
    »Weiß ich nicht«, antwortete da Pré.
    Brunetti wußte nicht, wie er seine Frage formulieren sollte. Also wartete er, daß da Pré ihm das Nähere erklärte, was dieser auch tat: »Es war meine Pflicht, sie jeden Monat einmal zu besuchen, mehr Zeit konnte ich nicht erübrigen, aber wir hatten einander sowieso nichts zu sagen. Ich habe ihr die hier angekommene Post gebracht, aber das war meist nur frommer Kram: Zeitschriften, Bettelbriefe. Ich habe gefragt, wie's ihr geht. Aber es gab nichts, worüber wir hätten reden körnen, und da bin ich dann wieder gegangen.«
    »Verstehe.« Brunetti stand auf. Sie hatte fünf Jahre dort verbracht und dann alles diesem Bruder vererbt, der zu beschäftigt gewesen war, um sie öfter als einmal im Monat zu besuchen, beschäftigt zweifellos mit seinen kleinen Dosen.
    »Worum geht es hier überhaupt?« fragte da Pré, bevor Brunetti sich abwenden und gehen konnte. »Haben die doch noch beschlossen, das Testament anzufechten?« Er faßte nach Brunettis Ärmel. »Oder ist da etwas anderes vorgefallen, was...« Er unterbrach sich, und Brunetti glaubte wieder ein Lächeln im Anzug zu sehen, aber dann hielt sich der kleine Mann die Hand vor den Mund, und der Moment war verpaßt.
    »Es ist im Grunde nichts weiter, Signore. Wir interessieren uns eigentlich für jemanden, der dort gearbeitet hat.«
    »Da kann ich Ihnen nicht helfen. Ich kannte niemanden vom Personal. Mit denen habe ich nie gesprochen.«
    Auch Vianello stand jetzt auf und kam zu Brunetti. Die Herzlichkeit seines vorhergegangenen Gesprächs mit da Pré milderte ein wenig die schlecht verhohlene Entrüstung, die von seinem Vorgesetzten ausstrahlte.
    Da Pré stellte keine weiteren Fragen. Er stand auf und geleitete die beiden Männer aus dem Zimmer und bis zur Wohnungstür. Dort ergriff Vianello die hochgestreckte Hand, schüttelte sie und dankte dem Mann, daß er ihm seine wunderschönen Schnupftabakhosen gezeigt hatte. Auch Brunetti drückte die erhobene Hand, aber er bedankte sich für nichts und war als erster zur Tür hinaus.

4
    G räßlicher kleiner Kerl, so ein gräßlicher kleiner Kerl«, hörte Brunetti seinen Sergente vor sich hin brummein, als sie zusammen die Treppe hinuntergingen.
    Draußen war es kühler geworden, als hätte da Pré dem Tag die Wärme gestohlen. »Ein widerlicher Mensch«, fuhr Vianello fort. »Er glaubt, diese Schnupftabakdosen gehören ihm. Der Narr.«
    »Was sagten Sie, Sergente?« fragte

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