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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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arbeiteten.«
    »Aber das ist unmöglich«, sagte Maria. »Ich sagte Ihnen doch, ich war noch nie am Lido. Noch nie.« Kaum hatte sie das gesagt, unterbrach sie sich und meinte dann: »Entschuldigung, Signor Brunetti. Sagen Sie mir, was Sie wissen.«
    »Sie arbeiteten dort seit ein paar Wochen. Das Pflegeheim hatten Sie schon einige Zeit davor verlassen. Irgendwelche Leute haben Ihnen geholfen, eine Arbeitsstelle und eine Unterkunft zu finden.«
    »Eine Arbeitsstelle?«
    »In der Klinik; da haben Sie in der Wäscherei gearbeitet.« Sie schloß kurz die Augen, öffnete sie wieder und sagte: »Ich weiß nichts vom Lido.« Erneut griff sie sich mit der Hand an die Schläfe. »Aber warum sind Sie hier?« fragte sie Brunetti, und er hörte aus ihrem Ton heraus, daß sie sich an seinen Beruf erinnert hatte.
    »Sie waren vor ein paar Wochen bei mir in der Questura und haben mich gebeten, mich um etwas zu kümmern.«
    »Um was?« fragte sie mit verwundertem Kopfschütteln.
    »Um etwas, was sich Ihrer Meinung nach im Pflegeheim San Leonardo abspielte.«
    »San Leonardo? Aber da war ich nie.«
    Brunetti sah, wie sie die Hände auf der Decke zu Fäusten ballte, und fand, daß es wenig Sinn hatte, auf diese Weise fortzufahren. »Ich glaube, wir lassen das jetzt lieber. Vielleicht fällt Ihnen ja wieder ein, was passiert ist. Jetzt brauchen Sie Ruhe. Und Sie müssen essen und wieder zu Kräften kommen.« Wie oft hatte er diese Frau so ähnliche Worte schon zu seiner Mutter sagen hören!
    Die Nonne trat vor. »Das genügt jetzt, Signore.« Brunetti mußte ihr recht geben.
    Er streckte den gesunden Arm aus und tätschelte Marias Hand. »Es wird schon alles wieder. Das Schlimmste ist überstanden. Sie brauchen nur Ruhe und müssen essen.« Er lächelte und wandte sich zum Gehen.
    Bevor er bei der Tür war, wandte Maria sich an die Nonne und sagte: »Entschuldigung, Schwester, aber ich brauchte eine...« Sie brach ab und senkte sittsam oder verlegen den Blick.
    »Eine Bettpfanne?« fragte die Nonne, ohne im mindesten ihre Lautstärke zu dämpfen.
    Maria nickte, noch immer gesenkten Blicks.
    Die Nonne gab einen ungehaltenen Ton von sich und kniff die Lippen zusammen. Sie drehte sich um und ging zur Tür, öffnete sie und hielt sie für Brunetti auf.
    Da rief Maria von hinten mit dünnem, ängstlichem Stimmchen; »Bitte, er soll bei mir bleiben, bis Sie wieder da sind, Schwester. Ich möchte nicht allein sein.«
    Die Nonne schaute zu ihr zurück, dann zu Brunetti. Schließlich ging sie hinaus und zog die Tür hinter sich zu.
    Brunetti drehte sich zu Maria um.
    »Es war ein grünes Auto«, sagte Maria ohne Einleitung. »Ich kann nicht zwischen den verschiedenen Marken unterscheiden, aber es ist direkt auf mich zugefahren. Es war kein Unfall.«
    Völlig verdutzt fragte Brunetti: »Sie erinnern sich also?«
    »Ich erinnere mich an alles«, sagte sie mit einer Stimme, die kräftiger war, als er sie je sprechen gehört zu haben meinte. »Man hat mir gesagt, was Ihnen passiert ist, und ich hatte einen Tag zum Nachdenken.«
    Er wollte an ihr Bett gehen, aber sie streckte abwehrend die Hand aus. »Bleiben Sie da. Sie soll nicht wissen, daß wir miteinander gesprochen haben «
    »Aber warum?« fragte er.
    Diesmal war es Maria, die verärgert die Lippen zusammenkniff. »Vielleicht gehört sie dazu. Die bringen mich um, wenn sie glauben, daß ich mich erinnere.«
    Er sah durch das Zimmer zu ihr hinüber, und die ansteckende Energie, die von ihr ausstrahlte, warf ihn fast um. »Was haben Sie vor?« fragte er.
    »Am Leben zu bleiben«, spie sie ihm entgegen, dann ging die Tür auf, und die Nonne kam wieder herein, eine Bettpfanne vor sich her tragend. Wortlos ging sie an Brunetti vorbei zum Bett.
    Er sagte nichts, wollte auch nicht riskieren, mit Maria noch einen letzten Blick zu wechseln, und ging hinaus. Er zog die Tür hinter sich zu.
    Als er den Korridor entlang in Richtung Psychiatriestation ging, fühlte er auf einmal, wie die Fliesen unter seinen Füßen in Bewegung gerieten. Mit einem Teil seines Verstandes wußte er, daß dies nichts weiter als Erschöpfung und Schock war, aber das hinderte ihn nicht, in den Gesichtern der ihm Entgegenkommenden zu forschen, ob sie den Erdstoß etwa auch gespürt hatten. Dann fand er es plötzlich beängstigend, daß es ihn trösten würde zu wissen, daß es ein Erdbeben gewesen war. Er ging in die Cafeteria im Erdgeschoß und verlangte ein Glas Aprikosennektar, dann bat er um ein Glas Wasser und nahm noch

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