Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
hinzu. »Paolo hat mir immer bei den Entscheidungen geholfen, was ich damit machen sollte. Und als Sandro sagte, er wolle die Fabrik kaufen, haben mir beide geraten, darein zu investieren. Das war vor einem Jahr, vielleicht auch vor zweien.« Sie unterbrach sich, als sie sah, wie Brunetti auf diese ungenauen Angaben reagierte. »Es tut mir leid, aber ich kümmere mich nicht so sehr um diese Sachen. Paolo hat gesagt, ich soll irgendwelche Papiere unterschreiben, und der Mann bei der Bank hat mir erklärt, worum es ging. Aber ich habe wohl nie genau verstanden, wofür das Geld sein sollte.« Sie verstummte und strich sich über den Rock. »Es floß in Sandros Fabrik, aber da es mein Geld war, hat Paolo es immer auch als seines angesehen.«
»Haben Sie eine Vorstellung, wieviel Sie in diese Fabrik investiert haben, Signora?« Sie sah Brunetti an wie ein Schulmädchen, das gleich in Tränen ausbrechen würde, weil ihm die Hauptstadt von Kanada nicht mehr einfiel, darum ergänzte er: »Ich meine, nur eine ungefähre Vorstellung. Wir brauchen die genaue Summe nicht zu wissen.« Das stimmte; man würde das alles später feststellen.
»Ich glaube, so an die drei- bis vierhundert Millionen Lire«, antwortete sie.
»Danke, das genügt«, sagte Brunetti, dann fragte er: »Hat Ihr Mann an diesem Abend noch etwas gesagt, nach dem Gespräch mit Ihrem Bruder?«
»Nun.« Sie verstummte, und Brunetti hatte den Eindruck, daß sie sich zu erinnern versuchte. »Er hat gesagt, die Fabrik mache Verlust. So wie er redete, hatte ich das Gefühl, er hätte heimlich auch selbst Geld hineingesteckt.«
»Außer dem Ihren?«
»Ja. Nur mit einer entsprechenden Notiz von Paolo. Nichts Offizielles.« Als Brunetti nichts sagte, fuhr sie fort: »Ich glaube, Paolo wollte mehr darüber mitreden, wie dort gearbeitet wurde.«
»Konnten Sie den Worten Ihres Mannes entnehmen, was er zu tun gedachte?«
»O nein.« Sie war sichtlich erstaunt über diese Frage. »Er hat mir so etwas nie gesagt.« Brunetti fragte sich, was er ihr wohl überhaupt je gesagt hatte, hielt es aber für besser, nicht danach zu fragen. »Anschließend ist er in sein Zimmer gegangen, und am Tag darauf hat er nicht mehr davon gesprochen, so daß ich dachte, oder hoffte, er und Sandro hätten sich geeinigt.«
Brunetti sprang sofort auf ›sein Zimmer‹ an - sicher nicht der Stoff, aus dem glückliche Ehen sind. Er bemühte sich um einen sanften Ton. »Bitte verzeihen Sie mir die Frage, Signora, aber würden Sie mir sagen, wie die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Mann war?«
»Unsere Beziehung?«
»Sie sagten, er sei in ›sein Zimmer‹ gegangen, Signora«, antwortete Brunetti nachsichtig.
»Ah«, entfuhr es ihr ganz unwillkürlich.
Brunetti wartete. Schließlich sagte er: »Signora, er ist nicht mehr, ich finde also, Sie können es mir ruhig sagen.«
Sie blickte zu ihm herüber, und er sah Tränen in ihre Augen steigen. »Er hatte andere Frauen«, flüsterte sie. »Seit Jahren immer wieder andere Frauen. Einmal bin ich ihm nachgegangen und habe vor ihrem Haus gewartet, im Regen, bis er herauskam.« Jetzt liefen ihr die Tränen übers Gesicht, aber sie achtete nicht darauf. Sie tropften langsam auf ihre Bluse und hinterließen lange ovale Flecken darauf. »Einmal habe ich ihn auch von einem Detektiv beobachten lassen. Und ich habe angefangen, seine Telefongespräche zu belauschen. Manchmal habe ich das Band zurückgespult, um ihn mit anderen Frauen reden zu hören. Dieselben Worte, die er früher zu mir gesagt hatte.« Die Tränen erstickten ihre Stimme, und sie schwieg lange, aber Brunetti zwang sich, nichts zu sagen. Endlich sprach sie weiter: »Ich habe ihn von ganzem Herzen geliebt. Von dem Tag an, als ich ihn zum erstenmal sah. Wenn Sandro das getan hat.« Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen, aber diesmal wischte sie sich mit beiden Händen darüber. »Dann will ich, daß Sie es erfahren, und ich will, daß er bestraft wird. Darum wollte ich mit Sandro sprechen.« Sie verstummte wieder und senkte den Blick. »Werden Sie kommen und mir berichten, was er zu Ihnen gesagt hat?« fragte sie, den Blick noch immer auf ihren Händen, die jetzt still in ihrem Schoß lagen.
»Ich glaube, das kann ich erst, wenn alles vorbei ist, Signora. Aber dann komme ich.«
»Danke«, sagte sie und sah kurz zu ihm her, dann wieder nach unten. Plötzlich stand sie auf und ging zur Tür. Brunetti war vor ihr da und öffnete sie. Er trat zur Seite, um ihr den Vortritt zu lassen.
Weitere Kostenlose Bücher