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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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sie?«
    »Sie unterrichtet in der Schule meines jüngeren Bruders Russisch und Mathematik. So habe ich sie kennengelernt.«
    »Und wie lange ist das schon her?«
    »Ein halbes Jahr.«
    »Das scheint ja etwas Ernstes zu sein.«
    Wieder lächelte der junge Mann, und Brunetti staunte, was für ein hübsches Gesicht er hatte. »Das glaube ich auch, Commissario. Ihre Familie kommt im Sommer her, und da möchte sie mich ihr vorstellen.«
    »Und deswegen lernen Sie das?« Brunetti deutete mit einer Kopfbewegung auf das Buch.
    Pucetti fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Sie sagt, es gefällt ihren Eltern nicht, daß sie einen Polizisten heiraten will; sie sind nämlich beide Ärzte. Und da dachte ich, es nützt vielleicht etwas, wenn ich mit ihnen reden kann, ein bißchen wenigstens. Und da ich weder Englisch noch Deutsch kann, habe ich mir überlegt, wenn ich Russisch mit ihnen reden könnte, würden sie doch daran sehen, daß ich nicht nur ein dummer Polyp bin.«
    »Das finde ich sehr klug von Ihnen. Also, dann überlasse ich Sie jetzt wieder Ihrem Lehrbuch«, sagte Brunetti.
    Als er sich zum Gehen wandte, rief Pucetti ihm nach: »Do swidanja.«
    Brunetti, der kein Russisch sprach, konnte nichts Passendes antworten und sagte statt dessen gute Nacht, dann ging er. Auf dem Heimweg dachte er bei sich: Die Frau lehrt Mathematik, und Pucetti lernt Russisch, um bei ihren Eltern einen guten Eindruck zu machen. Und er mußte sich fragen, ob er selbst am Ende nichts weiter war als ein dummer Polyp.
    Freitags mußte Paola nicht in die Universität und verbrachte den Nachmittag meist damit, etwas Besonderes zum Abendessen zu kochen. Daran hatte die Familie sich schon gewöhnt, und sie wurde auch an diesem Abend nicht enttäuscht. Paola hatte beim Fleischer hinter dem Gemüsemarkt eine Lammkeule erstanden und servierte sie mit winzigen Kartöffelchen, die mit Rosmarin bestreut waren, dazu zucchini trifolati und Möhrchen in einer Soße, die so süß war, daß Brunetti sie am liebsten auch noch zum Nachtisch gegessen hätte, aber da gab es ja schon in Weißwein gedünstete Birnen.
    Nach dem Abendessen lag er wie ein gestrandeter Wal auf seinem Stammplatz auf dem Sofa und genehmigte sich ein winziges Schlückchen Armagnac, eigentlich nur ein Tröpfchen in einem so kleinen Glas, daß man es kaum sah.
    Paola kam dazu, nachdem sie die Kinder mit allen ihnen schon bekannten Drohungen für Leib und Leben an ihre Hausaufgaben geschickt hatte. Sie setzte sich und schenkte für sich, viel ehrlicher in solchen Dingen als er, einen durchaus kräftigen Schluck Armagnac ein. »Ah, ist der gut!« sagte sie, nachdem sie davon genippt hatte.
    Wie in einem Traum sagte Brunetti: »Weißt du, wer mich heute angerufen hat?«
    »Nein, wer?«
    »Franco Rossi. Der Mann vom Katasteramt.«
    Sie schloß die Augen und lehnte sich zurück. »O Gott, und ich hatte gedacht, das Ganze sei vorbei oder habe sich irgendwie von selbst erledigt.« Nach einer Weile fragte sie: »Und was hat er gesagt?«
    »Es ging nicht um die Wohnung.«
    »Aber wozu sollte er dich sonst anrufen?« Bevor er antworten konnte, setzte sie hinzu: »Hat er dich demnach im Dienst angerufen?«
    »Ja. Das ist ja das Komische. Als er hier war, wußte er nicht, daß ich bei der Polizei bin. Er hat sich zwar indirekt nach meinem Beruf erkundigt, aber ich habe nur geantwortet, ich hätte Jura studiert.«
    »Sagst du das immer?«
    »Ja.« Er erklärte das nicht weiter, und sie fragte auch nicht.
    »Dann hat er es aber doch erfahren?«
    »Jedenfalls behauptet er das. Ein Bekannter soll es ihm gesagt haben.«
    »Und was wollte er von dir?«
    »Ich weiß es nicht. Er rief über sein telefonino an, und da es sich anhörte, als ob er mir etwas mitteilen wollte, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, habe ich ihm geraten, von einer Zelle aus anzurufen.«
    »Und?«
    »Hat er nicht.«
    »Vielleicht hatte er es sich anders überlegt.«
    Brunetti zuckte die Achseln, soweit das in Rückenlage und mit einem Bauch voll Lammkeule überhaupt möglich war.
    »Wenn es etwas Wichtiges ist, wird er sich wieder melden«, meinte Paola.
    »Das nehme ich auch an«, sagte Brunetti. Er überlegte, ob er sich noch ein ganz winziges Tröpfchen Armagnac gönnen sollte, schlief jedoch statt dessen für eine halbe Stunde ein. Als er aufwachte, hatten sich alle Gedanken an Franco Rossi verflüchtigt, und so blieb ihm nur noch das Verlangen nach diesem winzigen Tröpfchen Armagnac, bevor er sich zu Bett begab.

5
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