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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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sah er zu seiner Verblüf-fung Pucetti - in Uniform - vor dem Ufficio Straniero stehen und auf die Leute aufpassen, die dort Schlange standen und warteten, daß ihre Papiere bearbeitet wurden.
    »Was machen Sie denn hier?« fragte er den gleichermaßen verdutzten Beamten.
    »Ich habe heute vormittag angerufen und nach Ihnen gefragt, Commissario«, sagte Pucetti, ohne sich um die Leute hinter ihm zu kümmern. »Aber ich wurde zu Tenente Scarpa durchgestellt. Wahrscheinlich hatte er die Anweisung gegeben, daß er mich sprechen wollte, wenn ich mich meldete. Er sagte, der Vice-Questore persönlich erteile mir den Befehl, sofort hier zu erscheinen, in Uniform. Ich habe ihm zu erklären versucht, ich hätte einen Sonderauftrag, aber da hat er nur gesagt, es wäre ein Entlassungsgrund, wenn ich nicht gehorchte.« Pucetti hatte den Mut, nicht den Blick zu wenden, und sprach direkt zu Brunetti. »Ich fand nicht, daß ich einen Befehl von oben verweigern dürfte, Commissario, und da bin ich eben zurückgekommen.«
    »Waren Sie schon bei ihm?« fragte Brunetti, der sich mühsam beherrschte.
    »Bei Scarpa?«
    »Ja«, antwortete Brunetti, ohne den jungen Mann dafür zu rügen, daß er Scarpas Titel weggelassen hatte. »Was hat er gesagt?«
    »Er wollte wissen, wo ich gewesen wäre, und ich habe ihm geantwortet, ich hätte den Befehl, darüber mit niemandem zu sprechen.«
    »Hat er gefragt, von wem Sie diesen Befehl haben?«
    »Ja.« Pucettis Stimme klang ganz ruhig. »Ich habe ihm gesagt, daß ich ihn von Ihnen habe, Commissario, und da hat er gemeint, darüber wolle er mit Ihnen sprechen.«
    »Sonst noch etwas?«
    »Nein, Commissario, das war alles.«
    Brunetti hatte zwar selbst schon daran gedacht, Pucetti nach Venedig zurückkommen zu lassen, aber daß Scarpa über seinen Kopf hinweg gehandelt hatte, nahm er übel.
    »Tut mir leid, Commissario«, sagte Pucetti, dann drehte er sich kurz um und warf einem Mann, der gegen den in der Schlange hinter ihm Stehenden laut geworden war, einen strafenden Blick zu. Der Blick genügte, um beide zu beruhigen, und Pucetti wandte sich wieder Brunetti zu.
    »Hatten Sie Gelegenheit, mit Signorina Elettra zu sprechen?« fragte Brunetti beiläufig.
    »Ein-, zweimal, Commissario, wenn sie auf einen Kaffee hereinkam, aber da waren immer Leute drum herum, und wir haben unsere Rollen gespielt und uns übers Wetter und die Fischerei unterhalten.«
    »Dieser junge Mann«, wechselte Brunetti das Thema, »haben Sie eine Ahnung, wer das ist?« Ihm war gar nicht bewußt, daß er es Pucetti überließ, zu erraten, von welchem Mann er sprach, und dachte sich auch nichts dabei, daß Pucetti auf Anhieb wußte, wen er meinte.
    »Das ist der Neffe von einem der Fischer da draußen.«
    »Wie heißt er?«
    »Wer, der Mann oder sein Onkel?«
    »Der Mann. Wie heißt er?« Brunetti merkte jetzt, wie ungeduldig das klang, weshalb er eine Hand in die Jackentasche steckte und von einem Fuß auf den anderen trat, um entspannter dazustehen. »Ich meine, falls Sie es wissen«, fügte er lahm hinzu.
    »Targhetta«, antwortete Pucetti, ohne sich anmerken zu lassen, ob er Brunettis Interesse in irgendeiner Weise außergewöhnlich fand. »Carlo.«
    Brunetti wollte sich schon weiter nach dem jungen Mann erkundigen und fragen, was er auf Pellestrina machte, aber dann merkte er doch noch, wie sein Interesse an Signorina Elettras Privatleben den jungen Beamten immer neugieriger machte. »Gut, danke, Pucetti«, sagte er darum. »Sie können sich wieder auf den normalen Dienstplan setzen lassen.« Dabei vergaß er ganz, daß in Abwesenheit von Signorina Elettra, die sonst für die Rotation in der Belegschaft sorgte, seit zwei Wochen immer derselbe Dienstplan aushing.
    Wieder in seinem Dienstzimmer, machte er insofern ein Zugeständnis an ihre Abwesenheit, als er persönlich bei der Guardia di Finanza anrief und nach Maresciallo Resto fragte.
    Der Maresciallo sei im Augenblick nicht in seinem Zimmer, sagte man ihm, ob er vielleicht mit jemand anderem sprechen möchte? Das lehnte er so prompt wie automatisch ab, und erst nachdem er wieder aufgelegt hatte, ging ihm die volle Bedeutung seiner Reaktion auf: Selbst bei etwas so Gewöhnlichem wie einem simplen Anruf einer staatlichen Dienststelle bei einer anderen war er nicht gewillt, irgend jemandem - ganz gleich welchen Rang und welche Stellung dieser bekleidete - den Grund für seinen Anruf zu nennen, es sei denn, daß wieder jemand anderer, den er kannte und dem er vertraute, für

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