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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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weder ein richtiger Fischer noch Mechaniker war, selbst wenn er im ersten Beruf inzwischen schon einiges gelernt hatte. In einem Fall wie diesem unterwarf er sich voll und ganz der größeren Erfahrung und Weisheit seines Onkels und wartete, bis man ihm sagte, was er tun solle. Das Boot wurde langsamer und lag schließlich reglos auf dem Wasser.
    Vittorio sagte zu Carlo, er solle dableiben und den Motor anlassen, wenn er es ihm sage, dann ging er selbst zum Achterdeck und verschwand durch eine Luke nach unten in den Maschinenraum. Nach einigen Minuten rief er Carlo zu, er solle den Motor starten. Der Anlasser gab ein trockenes Klicken von sich, sonst tat sich nichts, worauf Carlo die Zündung wieder ausschaltete und wartete. Minuten vergingen. Elettra kam an die Tür, fragte, was los sei, aber er lächelte sie nur an, sagte ihr, daß alles in Ordnung sei, und schickte sie mit einer Handbewegung wieder nach hinten, wo sie aus dem Weg war.
    Vittorio rief erneut, und als Carlo diesmal den Anlasser betätigte, sprang der Motor beim ersten Versuch an und reagierte auf jedes noch so leichte Antippen des Gashebels. Vittorio stieg aus der Luke und kam in die Kabine zurück. »Die Kraftstoffleitung, dachte ich's mir doch«, sagte er. »Ich brauchte nur...«, aber da wurde er unterbrochen, weil sein telefonino sich meldete. Während er danach griff, schickte er Carlo mit einem Handzeichen aus der Kabine.
    Carlo ging rückwärts hinaus, wobei er achtgab, daß er die Türen nicht zuschlagen ließ, und lief nach hinten, wo er Elettra stehen sah, die Hände fest um die hintere Reling gespannt, das Gesicht zur Sonne gewandt. Der Motor lief immer noch rund und übertönte seine Schritte, doch als er stumm hinter sie trat und beide Hände an ihre Hüften legte, zeigte sie sich in keiner Weise überrascht, sondern ließ sich rückwärts an ihn sinken. Er beugte sich über sie und küßte sie auf den Kopf, vergrub sein Gesicht in ihrer Lockenpracht. So stand er mit geschlossenen Augen da und wiegte ihrer beider Körper in einem stetigen Rhythmus hin und her. Erst als er ein tiefes Grummeln vernahm, das nichts mit dem Motor zu tun hatte, öffnete er die Augen. Zu seiner Linken waren die Türme der Stadt, die man am Morgen noch von ferne hatte sehen können, mit einemmal nicht mehr da, verschluckt von einer tief herunterhängenden Wolkenbank, die sich schon über das Dorf Pellestrina gelegt hatte und sich schnell ihrem Boot näherte.
    »O Dio«, sagte er, und als sie den Schrecken in seiner Stimme hörte, öffnete auch sie die Augen und sah eine finstere Wand sich auf sie zu wälzen. Instinktiv legte er die Arme um sie und zog sie an sich; dabei drehte er den Kopf in Richtung Kabine. Sein Onkel telefonierte immer noch und blickte starr zu ihnen herüber und zu dem Unwetter, das sich so rasend schnell näherte.
    Vittorio sagte noch etwas, schaltete das telefonino aus und steckte es wieder in seine Jackentasche. Mit steifem Arm drückte er die Kabinentür auf und rief Carlo zu sich.
    Carlo ließ Elettra los und ging zu seinem Onkel. Im Gehen fühlte er auf einmal, wie sich der hintere Teil des Bootes hob, als hätte eine Riesenhand es aus dem Wasser gedrückt, um ihn schneller vorwärtszubefördern. Er blickte sich nach Elettra um und sah, daß sie sich wieder mit beiden Händen an der Reling festhielt.
    Er öffnete die Tür. »Ja, was gibt's?«
    Statt zu antworten, packte sein Onkel ihn mit beiden Händen am Revers und riß ihn zu sich, bis Carlos Gesicht ganz nah vor dem seinen war. »Habe ich dir nicht gesagt, daß sie uns Scherereien macht«, sagte er. Er schüttelte Carlo ein paarmal, und als der junge Mann sich losreißen wollte, zwang er ihn noch tiefer zu sich hinunter. »Ihr Chef ist da. In der Bar. Die wissen von Bottin und dem Anruf.«
    »Wer weiß was?« fragte Carlo, gründlich verwirrt. »Die Guardia di Finanza? Die weiß das doch schon lange. Oder was glaubst du, warum die mich rausgeschmissen haben?«
    »Nicht die Finanza, du Trottel!« schrie Vittorio ihn an, wobei er schon sehr laut werden mußte, um den Wind zu übertönen, der von hinten angefegt kam und das Boot vorwärtstrieb. »Die Polizei. Ihr Chef, dieser Commissario, er hatte das Tonband bei sich. Er hat es in der Bar abgespielt, und Pavanello, dieser Saufkopf, hat ihm gesagt, daß es Bottin war, mit dem du geredet hast.« Er ließ Carlos Revers los, stieß ihn mit dem Handrücken von sich weg und schrie: »Das müßten doch Idioten sein, um jetzt nicht zu

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