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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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sei, in welcher Form sich das diesmal äußern würde.
    »Meine Frau sagte weiter, daß dieser Mann statt ins Gefängnis nach San Servolo kam und dort verstarb.«
    »Das stimmt.« Ihr Gesicht war ausdruckslos, verriet keine Spannung.
    Als er merkte, daß er mit solchen Fragen das Eis nicht brechen würde, sagte er: »Meine Frau hat mir auch erzählt, daß Sie die Mussolini-Biographie von Mack Smith lesen.«
    Ihr Lächeln entblößte zwei Reihen makelloser Zähne, und ihre Augen weiteten sich, bis die dunkelbraune Iris ganz von strahlendem Weiß umrahmt war. »Haben Sie die auch gelesen?« fragte sie mit plötzlich erwachter Neugier.
    »Vor etlichen Jahren«, antwortete Brunetti und setzte hinzu: »Normalerweise befasse ich mich nicht mit neuerer Geschichte, aber eines Abends kam ich beim Essen mit jemandem ins Gespräch, der uns einreden wollte, um wieviel besser es uns ginge, wenn Er wieder da wäre, daß wir alle froh sein könnten, wenn Er ... «
    »... der Jugend Disziplin beibringen würde«, führte sie seinen Satz nahtlos weiter, »und dafür sorgen, daß wieder Zucht und Ordnung herrscht in unserer Gesellschaft.« Claudia hatte die markige Stimme des Mannes, der II Duce gerühmt hatte und sein Verdienst um die Zähmung der italienischen Volksseele, so perfekt getroffen, daß Brunetti lachend den Kopf zurückwarf. Wie sie mit ihrer Imitation die Ewiggestrigen und ihre Parolen lächerlich machte, das hatte etwas Befreiendes. »Ich erinnere mich gar nicht, daß Sie dabei waren«, sagte Brunetti, als er zu lachen aufgehört hatte, »aber es klingt ganz so, als hätten Sie mit am Tisch gesessen und diesen Menschen reden hören.«
    »Ach Gott, ich höre dauernd solche Sprüche, sogar an der Uni«, sagte sie frustriert. »Daran, daß die Leute sich über die heutigen Zustände beklagen, hat man sich ja gewöhnt; das gehört fast schon zur Tagesordnung. Aber wehe, man geht her und will das Übel bei der Wurzel packen - dann beschimpfen die Leute einen gleich als Nestbeschmutzer, der keine Achtung hat vor ihrem Land oder seiner Tradition. Niemand ist bereit, ernsthaft über die Vergangenheit nachzudenken, die doch die Gegenwart erst zu dem gemacht hat, was sie ist, geschweige denn darüber, was Er für ein Unhold war.«
    »Es überrascht mich, daß ihr jungen Leute überhaupt noch wißt, wer II Duce war.« Hier übertrieb Brunetti, aber nicht sehr; er brauchte nur an den sonderbaren Gedächtnisschwund zu denken, von dem Vertreter aller Altersgruppen befallen wurden, sobald er versuchte, mit ihnen über den Krieg oder seine Ursachen zu diskutieren. Oder, schlimmer noch, über das aberwitzig retuschierte Geschichtsbild der friedliebenden, liberalen und nur von ihren niederträchtigen teutonischen Nachbarn irregeleiteten Italiener.
    Die Stimme des Mädchens holte ihn aus diesen Betrachtungen zurück. »Die meisten Jugendlichen kennen ihn auch nicht mehr. Ich rede von den Älteren. Man sollte meinen, die erinnerten sich noch, wie es damals zuging, was er für ein Mensch war.« Unmutig schüttelte sie den Kopf. »Aber nein, alles, was ich zu hören kriege, ist dieser Unsinn über die pünktlichen Züge und daß er die Mafia in die Knie gezwungen hat und wie froh die Äthiopier waren, als unsere tapferen Soldaten einmarschierten.« Sie hielt inne, als gälte es abzuwägen, wie weit man sich bei diesem konservativ wirkenden Mann mit dem freundlichen Blick vorwagen dürfe; was immer sie in seinen Augen sah, schien ihr Mut zu machen, denn sie fuhr fort: »Unsere tapferen Soldaten, die mit Giftgas und Maschinengewehren anrückten, um ihnen die Wunder des Faschismus vorzuführen.«
    So jung und schon so zynisch, dachte er - und auch, daß sie dieses Kommentars sicher herzlich überdrüssig war. »Es wundert mich, daß Sie nicht Geschichte studieren«, sagte er.
    »Oh, das habe ich, ein Jahr lang. Aber ich hab's nicht ausgehalten, all die Lügen und Ausflüchte und die Feigheit, Stellung zu beziehen zu dem, was in den letzten hundert Jahren passiert ist.«
    »Und dann?«
    »Bin ich zur Anglistik übergewechselt. Da ärgert man sich schlimmstenfalls über all die idiotischen Theorien zur gesellschaftlichen Relevanz der Literatur oder über Professoren, die die Urheberschaft bestimmter Texte in Frage stellen.« Brunetti hatte das seltsame Gefühl, als höre er Paola in einem ihrer rebellischeren Momente sprechen. »Aber die Texte selber können auch die emsigsten Forscher nicht verändern. Ganz im Gegensatz zu mächtigen

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