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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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weiß nicht. Claudia hat nie von ihr gesprochen, aber ich hatte immer das Gefühl, sie sei auch dahin.«
    »Sie meinen tot, Signora?«
    »Nein, nein, nicht direkt. Oh, ich weiß selber nicht. Aber Claudia hat nie gesagt, daß sie tot ist; es hat sich nur so angehört, als ob sie weg sei, irgendwo weit fort, und nie zurückkommen würde.« Sie hielt einen Moment inne, wie um sich auf die Gespräche mit dem Mädchen zu besinnen.
    »Wenn ich jetzt darüber nachdenke, war das schon sehr merkwürdig. Normalerweise sprach sie von ihrer Mutter immer in der Vergangenheitsform, aber einmal klang es so, als ob sie noch am Leben sei.«
    »Erinnern Sie sich, was sie da gesagt hat?« fragte Vianello.
    »Nein, nein, das weiß ich nicht mehr. Es tut mir sehr leid, Signori, aber ich kann mich einfach nicht erinnern. Es ging um irgendeine Vorliebe, eine Farbe oder ein Gericht oder so etwas. Jedenfalls nichts Konkretes wie ein bestimmtes Buch oder einen Film oder einen Schauspieler; eher etwas Allgemeines. Ja, wenn ich mich nicht täusche, ging es um eine Farbe, und sie sagte etwas wie: ›Meine Mutter mag...‹, und dann nannte sie die Farbe, blau beispielsweise. Genauer erinnere ich mich wirklich nicht, aber ich weiß noch, daß ich damals dachte: Wie seltsam. Plötzlich spricht sie von ihr, als ob sie noch am Leben wäre.«
    »Haben Sie sie darauf angesprochen?«
    »O nein! Claudia war kein Mädchen, dem man Fragen stellen konnte. Wenn sie einem etwas mitteilen wollte, dann tat sie's von sich aus. Und wenn nicht, dann wechselte sie das Thema, und neugierige Fragen ignorierte sie einfach.«
    »Hat Sie das gekränkt?« fragte Vianello.
    »Anfangs vielleicht, aber dann merkte ich, so war sie eben, und ich konnte nichts daran ändern. Außerdem hatte ich sie gern, so gern, daß es mir wirklich nichts mehr ausmachte.« Signora Gallante führte ihre Tasse an den Mund und neigte den Kopf darüber, als würde sie trinken, aber dann kamen ihr die Tränen, und sie mußte die Tasse abstellen und nach einem Taschentuch greifen. »Ich glaube, ich möchte nicht weiter darüber sprechen, Signori.«
    »Natürlich, Signora.« Brunetti trank seinen Tee aus, der über dem Gespräch kalt geworden war. »Ich sehe nur rasch nach, ob der Doktor fertig ist und ich noch einmal mit Lucia sprechen kann.«
    Signora Gallante war das augenscheinlich nicht recht, aber sie sagte nichts, sondern wischte sich nur eilig die Tränen fort.
    Brunetti ging zur Schlafzimmertür und klopfte einmal, dann noch einmal. Nach einer Weile öffnete sich die Tür einen Spaltbreit, der Arzt streckte den Kopf heraus und sagte: »Ja?«
    »Ich würde gern mit Signorina Mazzetti sprechen, wenn's möglich ist, Dottore.«
    »Ich werde sie fragen«, meinte der Arzt und machte Brunetti die Tür vor der Nase zu. Nach ein paar Minuten erschien er wieder und sagte: »Sie will mit niemandem reden.«
    »Dottore, würden Sie ihr erklären, daß wir bemüht sind, den Mörder ihrer Freundin zu finden? Ich weiß, daß die Eltern von Signorina Mazzetti aus Mailand anreisen, um ihre Tochter heimzuholen, und danach wird es sehr viel schwieriger sein, mit der Signorina Verbindung aufzunehmen.« Brunetti erwähnte nicht, daß er befugt gewesen wäre, Lucia am Verlassen der Stadt zu hindern. Statt dessen sagte er nur: »Wir wären sehr dankbar, wenn die Signorina sich bereit fände, jetzt mit uns zu sprechen. Das würde uns sehr weiterhelfen.«
    Der Arzt nickte verständnisvoll und, wie es Brunetti schien, teilnehmend und schloß erneut die Tür.
    Als sie sich gut fünf Minuten später wieder öffnete, stand Lucia Mazzetti hinter dem Arzt. Sie war größer und schlanker, als Brunetti gedacht hatte, und er merkte erst jetzt, wo er ihr gegenüberstand, wie hübsch sie war. Der Doktor hielt ihr die Tür auf, und sie trat hinaus auf den Flur. Brunetti führte sie ins Wohnzimmer, wartete, bis sie in einem Sessel Platz genommen hatte, und fragte dann: »Möchten Sie den Doktor gern bei unserem Gespräch dabeihaben, Signorina?«
    Sie nickte und ließ ein sehr leises »Ja« folgen.
    Der Arzt setzte sich auf die Sofakante, stellte seine Tasche neben sich auf den Boden und lehnte sich still und unaufdringlich zurück.
    Brunetti nahm sich einen Stuhl und rückte ihn etwa einen Meter vor Lucias Sessel, wobei er es so einzurichten wußte, daß sie vollständig im Schatten blieb, während das Licht, das durch das Fenster hinter ihr hereinschien, auf sein Gesicht fiel. Er war bemüht, ihr durch eine möglichst offene,

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