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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Signora. Ich kam zu Ihnen, weil ich gewissermaßen schon von Ihnen wußte.«
    »Was wußten Sie über mich?« Es gelang ihr nicht, den Schrecken zu verbergen, der jeden in Italien bei der Vorstellung befallen hätte, die Polizei wisse irgend etwas über ihn.
    »Daß Claudia Sie als ihre Großmutter betrachtete und sich um ihretwillen darum bemühte, das Urteil gegen eine Person aufheben zu lassen, die in San Servolo gestorben ist.« Brunetti sah keinen Grund, ihr das zu verheimlichen: Früher oder später würde er sie ohnehin dazu vernehmen müssen, also konnte er genausogut gleich damit anfangen, solange der Schock ihren Widerstand gegen die Beantwortung seiner Fragen noch schwächen mochte.
    Sie ließ die Zigarette auf den Teppich fallen, trat sie aus und zündete sich unverzüglich eine neue an. Ihre Bewegungen waren langsam und vorsichtig: Seiner Schätzung nach mußte sie weit über achtzig sein. Sie machte drei so gierige Züge, als hätte sie nicht gerade erst eine Zigarette zu Ende geraucht. Ohne zu fragen, stand Brunetti auf und holte von einem Tisch hinter ihr einen Dosendeckel, der anscheinend als Aschenbecher diente, und stellte ihn neben sie.
    Statt ihm zu danken, fragte sie: »Sind Sie derjenige, mit dem Claudia gesprochen hat?«
    »Ja.«
    »Ich hab ihr gesagt, sie soll zu einem Anwalt gehen. Ich hätte es auch bezahlt.«
    »Sie war bei einem Anwalt. Er sagte, es würde fünf Millionen Lire kosten.«
    Sie rümpfte die Nase über die Summe und verdammte sie zu ewiger Belanglosigkeit. »Und dann kam sie zu Ihnen?«
    »Nicht direkt, Signora. Zuerst wandte sie sich an meine Frau, eine ihrer Professorinnen an der Universität, und bat sie, mich zu fragen. Aber Claudia war offenbar nicht zufrieden mit der Antwort, die ich ihr durch meine Frau übermitteln ließ, also kam sie in die Questura, um persönlich mit mir zu sprechen.«
    »Ja, das sieht ihr ähnlich«, sagte die alte Frau mit einem Lächeln, das kaum ihre Lippen berührte, aber ihrer Stimme Wärme verlieh. »Und was für eine Antwort haben Sie ihr gegeben?«
    »Im Grunde die gleiche, die ich ihr schon durch meine Frau ausrichten ließ: daß ich ihr keine Auskunft geben könne, solange ich keine genauere Vorstellung von dem Verbrechen hätte, um das es sich handele.«
    »Hat sie Ihnen gesagt, um wen es ging?« fragte die Frau, diesmal mit unverhohlenem Mißtrauen in der Stimme.
    »Nein«, antwortete Brunetti. Es war eine Lüge, aber eine kranke alte Frau, die unter Schock stand, weil sie einen geliebten Menschen verloren hatte, in unfairer Weise zu übertölpeln, das gehörte schließlich zu seinem Beruf.
    Signora Jacobs wandte den Blick von ihm ab nach der Wand zu ihrer Rechten, wo die Keramiken hingen. Aber Brunetti hatte den Eindruck, daß sie die Iznik-Kacheln ebensowenig wahrnahm wie all die anderen Kunstschätze um sie herum. Ihr Schweigen dauerte so lange, bis ihm Zweifel kamen, ob sie sich seiner Gegenwart überhaupt noch bewußt war.
    Endlich wandte sie sich ihm wieder zu. »Ich denke, das ist alles«, sagte sie.
    »Ich bitte um Verzeihung?« fragte Brunetti höflich. Er verstand wirklich nicht, was sie meinte.
    »Das ist alles. Alles, was ich wissen will, und alles, was ich Ihnen zu sagen habe.«
    »Ich wünschte, es wäre so einfach, Signora«, versetzte er voll aufrichtigen Mitgefühls. »Aber ich fürchte, Sie haben kaum eine Wahl. Ich ermittle in einem Mordfall, und Sie sind verpflichtet, die Fragen der Polizei zu beantworten.«
    Sie lachte. Ein Lachen bar jeder Heiterkeit, aber wohl die einzig angemessene Antwort auf solch eine für sie absurde Belehrung.
    »Signor Commissario«, sagte sie, »ich bin dreiundachtzig, und wie meine Abhängigkeit von diesen Tabletten Ihnen gezeigt haben dürfte, bei schlechter Gesundheit.« Bevor er antworten konnte, fuhr sie fort: »Und glücklicherweise findet sich bestimmt kein Arzt, der nicht bestätigen würde, daß Sie mit Ihren fortgesetzten Fragen mein Leben gefährden könnten.«
    »So, wie Sie das sagen, klingt es, als glaubten Sie selbst nicht daran«, bemerkte er.
    »Oh, ich glaube es sehr wohl. Aber ich bin durch eine viel härtere Schule gegangen, als ihr Italiener sie euch auch nur vorstellen könnt, und so bin ich nie wehleidig gewesen. Aber glauben Sie mir, wenn Sie fühlen könnten, wie mein Herz jetzt hämmert, dann wüßten Sie, daß ich die Wahrheit spreche. Sie gefährden mein Leben mit Ihren Fragen. Den Arzt erwähne ich nur, um Ihnen klarzumachen, wie weit ich gehen würde, um

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