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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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nicht mehr mit Ihnen reden zu müssen.«
    »Sind es die Fragen, die Ihr Leben gefährden, Signora, oder die Antworten?«
    Plötzlich merkte sie, daß ihre Zigarette ausgegangen war, warf sie zu Boden und griff nach dem Päckchen. »Sie finden gewiß allein hinaus, Commissario«, sagte sie, und ihre Stimme hatte jenen satten Befehlston, den diejenigen, die in einem Haus mit vielen Dienstboten aufgewachsen sind, nie ganz ablegen.

12
    B runetti, den sein Beruf schon mit den unterschiedlichsten Formen der Verzweiflung konfrontiert hatte, sah ein, daß jeder weitere Versuch sinnlos und reine Zeitverschwendung wäre: Es gab nichts, womit er Signora Jacobs dazu bewegen konnte, ihm mehr über das ermordete Mädchen zu erzählen.
    Er verließ die Wohnung und beschloß, zu Fuß zur Questura zurückzukehren. Den Spaziergang nutzte er, um darüber nachzudenken, was, wenn überhaupt, die alte Frau und ihre Verbindung zu den Guzzardis mit Claudias Tod zu tun haben könnte. Warum sollten kriminelle Handlungen, die Jahrzehnte vor der Geburt des Mädchens verübt wurden, mit einem womöglich ganz normalen, wenn auch fehlgeschlagenen Diebstahl in Zusammenhang stehen? Normale Diebe, raunte ihm jedoch die Stimme der Erfahrung und gewohnheitsmäßiger Skepsis zu, tragen keine Messer bei sich und bringen diejenigen, die sie bei ihrer Arbeit überraschen, auch nicht um. Jemanden bei einem Fluchtversuch über den Haufen rennen, vielleicht, aber sicher nicht auf ihn einstechen, bis er tot war.
    Sein Blick fiel auf den Campanile von San Giorgio und den Engel, der, frisch restauriert, wieder auf der Turmspitze prangte, nachdem er vor Jahren vom Blitz getroffen und in Flammen aufgegangen war. Brunetti war so in Gedanken gewesen, daß er einfach an der Questura vorbeigelaufen war. Als er seinen Irrtum erkannte und hastig kehrtmachte, salutierte der Posten am Eingang zackig wie immer und ohne sich anmerken zu lassen, daß er seinen Vorgesetzten vor ein paar Minuten achtlos hatte vorbeigehen sehen.
    Brunetti blieb vor Signorina Elettras Büro stehen, spähte hinein und war erleichtert, als er den üppigen Blumenschmuck auf dem Fensterbrett sah. Noch ein Schritt näher, und er sah seine Hoffnung bestätigt, daß noch mehr davon auf ihrem Schreibtisch prangten: gelbe Rosen, mindestens zwei Dutzend. Wie inständig hatte er die letzten Monate darum gebetet, daß sie zu ihrer schamlosen Plünderung der Stadtkasse zurückfinden möge, indem sie diese verschwenderischen Sträuße als gewöhnliche Büroauslagen geltend machte. Jede Knospe, jede Blüte verströmte den schweren Duft veruntreuter öffentlicher Gelder. Brunetti atmete ihn in tiefen Zügen ein und seufzte erleichtert.
    Wie er gehofft hatte, saß sie hinter ihrem Schreibtisch, und er war entzückt, als er sah, daß sie einen grünen Kaschmirpulli trug; noch mehr freute es ihn, daß sie in einer Zeitschrift las. »Was ist's denn heute, Signorina?« fragte er. »Famiglia Cristiana?«
    Sie blickte auf, aber ohne zu lächeln. »Nein, Signore, die gebe ich immer an meine Tante weiter.«
    »Ist sie religiös?« erkundigte sich Brunetti.
    »Das nicht, aber sie hat einen Wellensittich.« Signorina Elettra klappte die Zeitschrift zu, aber so, daß er den Titel nicht sehen konnte. Er hoffte auf die Vogue.
    »Hat Vianello Ihnen Bescheid gegeben?« fragte er.
    »Armes Mädchen. Wie alt war sie?«
    »Ich weiß nicht genau, höchstens zwanzig.«
    Welch furchtbare Vergeudung - aber keiner von beiden sprach es aus.
    »Vianello sagt, sie hat bei Ihrer Frau studiert?«
    Brunetti nickte. »Ich komme gerade von einer alten Dame, die ihr sehr nahe stand.«
    »Haben Sie schon eine Ahnung, was passiert ist?«
    »Es könnte ein Raubüberfall gewesen sein.« Als er ihren Gesichtsausdruck sah, setzte er hinzu: »Oder vielleicht war es auch etwas ganz anderes.«
    »Zum Beispiel?«
    »Ein Liebhaber. Drogen.«
    »Vianello sagt, Sie haben mit ihr gesprochen«, sagte Signorina Elettra. »Halten Sie so was für möglich?«
    »Spontan würde ich sagen: nein, aber ich verstehe die Welt nicht mehr. Heutzutage ist jedem alles zuzutrauen.«
    »Glauben Sie das wirklich, Signore?« Ihr Ton verriet, daß die Frage für sie weit über das hinauszielte, was er ganz gedankenlos hingeworfen hatte.
    »Nein«, sagte er nach einigem Überlegen. »Wahrscheinlich glaube ich das nicht. Denn am Ende gibt es ja doch ein paar Leute, denen zu vertrauen sich lohnt.«
    »Inwiefern?«
    Er hatte keine Ahnung, wie sie auf dieses philosophische Terrain

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