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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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sie wohl hinter ihren breiten Schreibtischen oder in ihren gepanzerten Tresoren treiben mochten. Doch bevor er dieser Frage weiter nachhängen konnte, wurde er mit dem Direktor verbunden, der ihn an eine Kassiererin weiterleitete, die sich nach der Kontonummer erkundigte. Wenige Minuten später konnte sie ihm die Auskunft geben, daß die Überweisungen von einer Genfer Bank getätigt wurden und an jedem Monatsersten auf Claudias Konto eingingen, seit dieses vor drei Jahren eröffnet worden war, vermutlich zu dem Zeitpunkt, als Claudia nach Venedig kam, um hier ihr Studium zu beginnen.
    Brunetti bedankte sich und bat die Kassiererin, ihm Kopien aller Auszüge aus den letzten drei Jahren zu faxen, was sie noch für denselben Vormittag versprach. Wieder brauchte er kaum Papier und Bleistift, um den Gesamtbetrag hochzurechnen: fast vierhundert Millionen Lire, und jetzt befanden sich weniger als drei Millionen auf dem Konto. Wie konnte ein junges Mädchen in drei Jahren über dreihundert Millionen Lire ausgeben? Er rief sich die Wohnung ins Gedächtnis, suchte nach Spuren von Luxus und teuren Anschaffungen, ohne daß ihm das Geringste eingefallen wäre. Ja, er vermutete sogar, daß die Wohnung bereits möbliert vermietet worden war, denn die großen Mahagonischränke, die er in beiden Schlafzimmern gesehen hatte, stammten sicher noch aus der Generation von Signora Gallante. Anzeichen auf Drogenkonsum hätte Rizzardi bemerkt und ihn davon unterrichtet, aber was außer Rauschgift konnte solch riesige Geldmengen verschlingen?
    Er rief unten bei Bocchese an, der ihm die Namen der Beamten durchgab, die die Wohnung untersucht hatten. Doch wie Brunettis Nachfrage ergab, war die Garderobe beider Mädchen weder besonders teuer noch umfangreich, hätte also keinesfalls Summen dieser Größenordnung verschlingen können.
    Einen Moment lang war Brunetti versucht, Rizzardi anzurufen und ihn zu fragen, ob er die Leiche auf Spuren von Drogenkonsum untersucht habe, unterließ es aber, weil er sich die Antwort des Doktors vorstellen konnte: Wenn Rizzardi nichts gesagt hatte, dann gab es auch keinen Befund.
    Statt dessen rief er Paola zu Hause an. »Ich bin's«, sagte er unnötigerweise.
    »Und was steht dem Herrn zu Diensten?«
    »Wie würdest du dreihundertsechzig Millionen Lire in drei Jahren ausgeben?« fragte er.
    »Eigenes oder gestohlenes Geld?« fragte sie zurück, gleich klarstellend, daß sie den beruflichen Hintergrund seiner Frage erkannt hatte.
    »Was macht das für einen Unterschied?«
    »Also ich würde mit gestohlenem Geld anders umgehen.«
    »Weshalb?«
    »Weil's eben anders ist, deshalb. Ich meine, es ist nicht dasselbe, als ob man gearbeitet oder sich krummgelegt hat, um es zu verdienen. Sondern wie Geld, das man auf der Straße findet oder in der Lotterie gewinnt. Das gibt man leichter aus, bei mir zumindest wäre es so.«
    »Und wie würdest du's ausgeben?«
    »Ist das ein allgemeines ›du‹ wie in ›man‹, oder meinst du mich persönlich?«
    »Beides.« »Also ich persönlich würde mir Erstausgaben von Henry James kaufen.«
    Brunetti überhörte geflissentlich die Anspielung auf den Autor, den er mit den Jahren begonnen hatte als den anderen Mann im Leben seiner Frau zu betrachten, und fragte: »Und wenn du es von einer allgemeineren Warte aus angehen würdest?«
    »Das käme dann wohl auf die betreffende Person an. Das Naheliegendste sind Drogen, aber da du mich um Anregungen fragst, hast du diese Möglichkeit wohl schon ausgeschlossen. Manche Leute würden sich teure Autos oder Designerklamotten kaufen oder, ach, ich weiß nicht, Reisen machen vielleicht.«
    »Nein, das Geld wurde Monat für Monat abgehoben, nicht in einem großen Batzen«, sagte er, eingedenk des regelmäßigen Ein- und Auszahlungsverkehrs.
    »Teure Restaurants? Frauen?«
    »Es geht um Claudia Leonardo«, sagte er nüchtern.
    Die Antwort ließ Paola für einen Moment verstummen, dann sagte sie: »Claudia hätte es wahrscheinlich verschenkt.«
    »Was?«
    »Verschenkt«, wiederholte Paola.
    »Wie kommst du darauf?«
    Es entstand eine lange Pause. »Das weiß ich selber nicht. Ich muß zugeben, ich habe keine Ahnung, warum ich das gesagt habe. Aber von ihren Seminarbeiträgen und Referaten her hatte ich einfach das Gefühl, daß ihr soziales Gewissen sehr viel stärker ausgeprägt war, als wir das heutzutage bei den Jugendlichen gewohnt sind.«
    Mitten in Brunettis Überlegungen hinein fragte Paola: »Woher kam denn das Geld?«
    »Von einer

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