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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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akzeptierte, weil sie ihn eben geliebt hat.«
    »Und als er verhaftet wurde? Kannst du dich daran noch erinnern?«
    »Nein, nicht genau. Ich glaube, sie versuchte ihn freizukaufen, entweder als Gegenleistung für erwiesene Dienste oder mit Geld. Zumindest gab es Gerüchte darüber.«
    »Aber wenn er nach San Servolo kam, dann war sie in ihren Bemühungen nicht sehr erfolgreich, oder?«
    »Nein, er hatte sich zu viele Feinde gemacht, der gemeine Hund, und darum konnte ihm keiner helfen, nicht, als alles aus war.«
    »Was hat er denn gar so Schlimmes verbrochen?« fragte Brunetti, immer noch perplex über die Bitterkeit, mit der Lele diesen Mann verdammte, und eingedenk der ungeheuren Schuld, die so viele andere auf sich geladen hatten, von denen die meisten nach dem Krieg mehr als glimpflich davongekommen waren.
    »Er hat sehr vielen Menschen ihr kostbarstes Gut geraubt.«
    Brunetti wartete in der Hoffnung, daß Lele selbst merken würde, wie schwach dieses Argument klang. Aber als der Maler beharrlich schwieg, fragte er schließlich: »Wie lange ist er jetzt tot? Seit über vierzig Jahren, nicht?«
    »Na und? Das ändert nichts daran, daß er ein Schwein war und es verdiente, in dieser Anstalt zu sterben, wo sie ihre eigene Scheiße gefressen haben.«
    Abermals erschrocken über Leles unerbittlichen Zorn, rang Brunetti vergeblich um eine Antwort. Doch der Maler ersparte ihm ein weiteres peinliches Schweigen, indem er versicherte: »Das hat nichts mit dir zu tun, Guido. Du kannst mich alles über ihn fragen, was du wissen willst.« Und nach einer Pause fügte er hinzu: »Es ist, weil er meine Familie angerührt hat.«
    »Das tut mir leid«, sagte Brunetti.
    »Tja, also...«, begann Lele. Doch dann wußte er offenbar nicht weiter und ließ den Satz in der Schwebe.
    »Wenn dir noch etwas zu Signora Jacobs einfällt, würdest du mich anrufen?«
    »Natürlich. Und ich werde mich ein bißchen umhören; mal sehen, wer sich sonst noch an sie erinnert.«
    »Danke.«
    »Keine Ursache, Guido.« Fast schien es, als hätte Lele noch etwas zu sagen, aber dann verabschiedete er sich nur sehr herzlich und legte auf.
    Das Mittagessen war in der Tat etwas Besonderes. Vielleicht hatte das Gespräch über die dreihundertsechzig Millionen Lire Paola über die Stränge schlagen lassen, jedenfalls hatte sie einen ganzen Seebarsch gekauft und ihn mit frischen Artischocken, Zitronensaft und Rosmarin gebacken. Dazu servierte sie eine riesige Schüssel mit gerösteten Prinzeßkartoffeln, ebenfalls leicht mit Rosmarin besprenkelt. Anschließend gab es, zur Erfrischung des Gaumens, einen Salat mit Rucola und Radicchio und zum Dessert Bratäpfel.
    »Bloß gut, daß du an drei Vormittagen die Woche in die Universität mußt und uns nicht jeden Tag so traktieren kannst«, sagte Brunetti, als er beim zweiten Apfel dankend ablehnte.
    »Soll das ein Kompliment sein?« fragte Paola.
    Bevor Brunetti antworten konnte, bestätigte Chiaras stürmische Bitte um noch einen Apfel die Bemerkung ihres Vaters aufs schönste in der gewünschten Weise.
    Nach dem Essen überraschten die Kinder ihre Eltern damit, daß sie sich freiwillig für den Abwasch meldeten. Paola zog sich in ihr Arbeitszimmer zurück, und Brunetti folgte ihr wenig später mit einem Glas Grappa. »Wir sollten uns wirklich ein neues Sofa anschaffen, meinst du nicht?« fragte er, streifte die Schuhe ab und streckte sich auf dem bedrohten Möbel aus.
    »Wenn ich je wieder ein so bequemes finden würde wie das da«, antwortete Paola, »dann würde ich es wahrscheinlich kaufen.« Aber nachdem sie das Sofa nebst ihrem auf dem Rücken liegenden Gatten eine Weile betrachtet hatte, sagte sie einschränkend: »Vielleicht könnte ich's einfach neu beziehen lassen.«
    »Hm«, brummte Brunetti zustimmend und mit geschlossenen Augen, die Hände um den Stiel seines Glases gefaltet.
    »Hast du schon was rausbekommen?« fragte Paola, nicht im mindesten interessiert an den wartenden Seminararbeiten, die sie zu korrigieren hatte.
    »Nur das mit dem Geld. Ach, und Rizzardi sagt, sie war noch Jungfrau.«
    »Im einundzwanzigsten Jahrhundert!« rief Paola baßerstaunt. »Mirabile dictu. Oder«, ergänzte sie einschränkend, »vielleicht doch nicht so verwunderlich.«
    »Wieso nicht?« fragte Brunetti, immer noch mit geschlossenen Augen.
    »Ach, sie hatte so was Blauäugiges, war so ganz ohne alle Raffinesse. Man könnte es arglos nennen, vielleicht auch unschuldig«, sagte Paola. »Was immer das ist«, setzte sie

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