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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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anzurufen, in der Hoffnung, daß der inzwischen seine Erinnerung aufgefrischt hatte. Im Atelier nahm niemand ab, also versuchte er es unter der Privatnummer, wo er den Freund dann auch erreichte.
    Nachdem sie die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht hatten, fragte Brunetti: »Erinnerst du dich an eine gewisse Hedi - Hedwig - Jacobs, die...?«
    »Es geht dir immer noch um Guzzardi, oder?« unterbrach ihn Lele.
    »Ja. Und jetzt auch um diese Frau Jacobs.«
    »Ich glaube, ›Frau‹ ist ein Gefälligkeitstitel«, sagte Lele. »Es ist nie ein Herr Jacobs in Erscheinung getreten.«
    »Gut, aber hast du sie gekannt?« fragte Brunetti.
    »Ja, allerdings nicht näher. Wenn wir uns in Gesellschaft trafen, haben wir uns gelegentlich unterhalten. Ich erinnere mich vor allem daran, wie merkwürdig es war, daß eine so anständige Person wie sie derart blind auf einen Mann wie Guzzardi reinfallen konnte. Alles, was er sagte, war wunderbar für sie und alles, was er tat, war für sie über jeden Zweifel erhaben.« Die Stimme des Malers wurde nachdenklich. »Ich habe viele Menschen gekannt, die vor lauter Liebe den Kopf verloren, aber die meisten bewahren sich doch noch einen Funken Verstand. Die Jacobs nicht. Sie wäre für ihn zur Hölle hinabgestiegen, wenn er es verlangt hätte.«
    »Aber sie haben nie geheiratet?« forschte Brunetti.
    »Er hatte schon eine Frau und einen Sohn, damals noch ein kleines Kind. Guzzardi führte beide am Gängelband, seine Ehefrau und die Österreicherin. Ich bin sicher, sie wußten voneinander, aber so wie ich Guzzardi einschätze, blieb ihnen wohl nichts anderes übrig, als sich mit der Situation abzufinden.«
    »Hast du sie gekannt?«
    »Wen? Die Frau oder die Guzzardis?«
    »Sowohl als auch.«
    »Die Frau kannte ich besser. Sie war eine Kusine des Sohns meiner Patentante.« Brunetti hatte keine Ahnung, wieviel eine solche Verbindung in Leles Familie galt, aber so mühelos, wie der Maler die verwandtschaftlichen Verhältnisse rekapitulierte, war es wohl kein indifferentes Band.
    »Und was war sie für ein Mensch?« fragte Brunetti, »Warum willst du das alles wissen?« Lele konnte nicht länger verhehlen, daß Brunettis Neugier auch ihn angesteckt hatte.
    »Guzzardis Name ist im Zusammenhang mit einem Fall aufgetaucht, den ich bearbeite.«
    »Kannst du mir sagen, worum es geht?«
    »Das tut nichts zur Sache«, antwortete Brunetti.
    »Na schön«, sagte Lele ergeben. »Also, die Frau hatte sich, wie gesagt, damit abgefunden. Schließlich waren das schwere Zeiten, damals, und Guzzardi war ein einflußreicher Mann.«
    »Und als er keinen Einfluß mehr hatte?«
    »Du meinst nach dem Krieg? Als sie ihn eingesperrt hatten?«
    »Ja.«
    »Da ließ sie ihn fallen wie eine heiße Kartoffel. Wenn ich mich recht erinnere, hieß es, sie habe sich mit einem britischen Offizier eingelassen. Aber genau weiß ich's nicht mehr. Jedenfalls ging sie weg aus Venedig, mit ihrem Sohn und mit dem Soldaten.«
    »Und?«
    »Ich habe nie mehr von ihr gehört, und das hätte ich, wenn sie zurückgekommen wäre.«
    »Und Signora Jacobs?«
    »Guido, du mußt bedenken, daß ich fast noch ein Kind war. Wie alt war ich bei Kriegsende? Achtzehn? Neunzehn? Und seitdem ist viel Zeit vergangen, ein Großteil meiner Erinnerungen ist eine Mischung aus dem, was ich tatsächlich gesehen und gehört habe und was die Leute einem so im Lauf der Jahre erzählen. Je älter ich werde, desto schwerer fällt es mir, zwischen beidem zu unterscheiden.«
    Brunetti fürchtete schon, er müsse sich jetzt eine Betrachtung über das Alter anhören, aber dann fuhr Lele fort: »Ich glaube, zum erstenmal sah ich sie bei der Eröffnung einer Galerie. Aber das war, bevor sie ihn kennenlernte.«
    »Was machte sie denn in Venedig?«
    »Ich weiß nicht mehr genau, aber ich erinnere mich dunkel, daß es irgendwas mit ihrem Vater zu tun hatte. Der arbeitete hier oder hatte ein Büro in Venedig. Irgend so was, glaube ich.«
    »Erinnerst du dich noch, wie sie damals war?«
    »Wunderschön. Also, ich war über zehn Jahre jünger als sie und hätte, von ihrer Warte aus, ebensogut auf dem Mond leben können, aber ich weiß noch, daß sie eine Schönheit war.«
    »Und war es seine Macht, die sie zu Guzzardi hinzog, genau wie die Ehefrau?« fragte Brunetti.
    »Nein, das war ja das Eigenartige. Sie hat ihn wirklich geliebt. Ich hatte sogar immer den Eindruck, oder zumindest war da so ein unbestimmtes Gefühl, daß sie nicht so dachte wie er, aber seine Vorstellungen

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