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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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des Archivs, in denen es ein ums andere Mal hieß, die Anfrage werde auf dem Dienstweg weitergeleitet.« Brunetti brummte etwas, das Interesse vermuten ließ, und der Engländer fuhr fort:
    »Das Tragische an diesem Fall war, daß die ersten Gesuche alle noch von seinem Vater unterzeichnet waren. Als der vor fünfzehn Jahren starb, hatte die Familie noch keinerlei konkreten Bescheid. Seitdem verfolgt der Sohn die Sache weiter.«
    »Und wie ist er auf Sie gekommen?«
    Die Frage war Ford offenbar peinlich. »Ich finde es nicht richtig, mit unserer Arbeit zu prahlen, und tue es normalerweise auch nicht, aber wir haben schon vielen Menschen, die sich vom Staatsarchiv im Stich gelassen fühlten, weiterhelfen können, und so was spricht sich eben herum.«
    »Und erheben Sie Gebühren für Ihre Dienste?«
    Ford schien ehrlich erstaunt über diese Frage. »Wo denken Sie hin! Die Bibliothek erhält einen kleinen staatlichen Zuschuß, aber im wesentlichen finanzieren wir uns aus privaten Spenden sowie einer ebenfalls privaten Stiftung.« Und nach kurzem Zögern: »Ihre Frage ist ehrenrührig, Commissario. Verzeihen Sie, aber das mußte gesagt werden.«
    »Ich verstehe Ihre Empörung, Signore« - und Brunetti verneigte sich leicht -, »nur bitte haben auch Sie Verständnis dafür, daß ich hier sozusagen recherchiere und deshalb alles fragen muß, was mir wichtig erscheint. Das ist durchaus nicht gegen Sie gerichtet.«
    Ford quittierte Brunettis Entschuldigung seinerseits mit einer kleinen Verbeugung, und die Atmosphäre entspannte sich wieder.
    »Wie kam es denn eigentlich dazu«, fragte Brunetti, »daß Claudia Leonardo bei Ihnen arbeitete?«
    »Nun, ursprünglich kam auch sie, um zu recherchieren, aber als sie Einblick in unsere Arbeit gewann, bot sie sich als freiwillige Hilfskraft an. Sie hat immer nur ein paar Stunden die Woche ausgeholfen. Wenn Sie wollen, kann ich gern in den Dienstplänen nachsehen«, sagte Ford und schickte sich an aufzustehen. Doch Brunetti winkte ab.
    »Sie hat sich rasch mit unseren Beständen vertraut gemacht«, fuhr der Engländer fort, »und genauso schnell gewann sie die Sympathie der meisten unserer Leser.« Ford senkte den Blick auf seine Hände, während er nach Worten suchte für das, was er Brunetti nahebringen wollte. »Viele davon sind schon sehr alt, wissen Sie, und ich denke, es hat ihnen gutgetan, jemanden um sich zu haben, der nicht nur hilfsbereit war, sondern auch sehr... « Hier verstummte er hilflos.
    »Ich glaube, ich weiß, was Sie sagen wollen«, versetzte Brunetti, der selber nicht imstande gewesen wäre, Claudias Jugend und ihre Begeisterungsfähigkeit mit Worten zu schildern, ohne daß es ihm weh getan hätte. »Wissen Sie zufällig, wie sie auf die Bibliothek aufmerksam wurde?«
    »Nein, keine Ahnung. Eines Tages kreuzte sie hier auf und erkundigte sich, ob sie unser Archiv benutzen dürfe. Und da sie sich augenscheinlich für unser Material interessierte, kam sie mehrmals wieder, bis sie eben eines Tages fragte, ob sie sich irgendwie nützlich machen könne.« Er versuchte offenbar, sich den Antrag des Mädchens ins Gedächtnis zu rufen. »Vom Staat werden wir nicht besonders hoch subventioniert, und viele unserer Nutzer sind arme Leute, also waren wir natürlich froh über ihr Angebot.«
    »Wir?« hakte Brunetti nach. »Sie sagten schon, daß Sie hier der Kodirektor sind. Darf ich fragen, wer Ihr Partner ist?«
    »Aber natürlich!« Ford lächelte entschuldigend: »Wie nachlässig von mir. Ich leite die Bibliothek zusammen mit meiner Frau. Sie hat übrigens seinerzeit das Archiv gegründet. Und als wir heirateten, schlug sie vor, daß ich die Hälfte ihrer Aufgaben übernehme.«
    »Verstehe«, sagte Brunetti. »Aber um auf Claudia zurückzukommen: Hat sie mit Ihnen über ihre Bekannten gesprochen? Vielleicht einmal einen Freund erwähnt?«
    Ford dachte nach. »Nein, nicht daß ich wüßte. Mag sein, daß sie mal von einem Jungen geschwärmt hat - ich denke, das tun alle jungen Mädchen -, aber an jemand Bestimmten kann ich mich, ehrlich gesagt, nicht erinnern.«
    »Dann wissen Sie vielleicht etwas über ihre Familie? Studienfreunde?«
    »Nein. Bedaure, Commissario, aber sie war doch wesentlich jünger als ich, und ich muß gestehen, daß ich, falls es nicht um Geschichte geht oder eins meiner sonstigen Interessengebiete, leider nicht besonders achtgebe auf das, was die jungen Leute so reden.« Er grinste verlegen, fast schuldbewußt - völlig grundlos, dachte Brunetti,

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