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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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genauso aufschlußreich wie das, was sie zu sagen hatten.
    Für den Weg zum Arsenale wählte Brunetti eine abgelegene Route, und während er sich instinktiv von Brücke zu Brücke schlängelte, ließ er im Geiste die verworrene Geschichte von Claudia Leonardo und ihrem Großvater Revue passieren, sich auflösen und wieder neu zusammensetzen. Fakten, Daten, Informationen, Gerüchte schwirrten ihm durch den Kopf und machten ihn so benommen, daß er erst an der Porta del Arsenale, links neben sich die tumben Löwenwächter, wieder in die Gegenwart zurückfand. Auf dem Scheitelpunkt der hölzernen Brücke verhielt er einen Moment und genoß den Blick durchs Tor auf das einstige Herzstück der venezianischen Vormacht, den Quell ihres Reichtums und der stolzen Seeherrschaft der Serenissima. Hier hatten Zimmerleute und Bootsbauer mit ihrer Hände Arbeit, mit Hämmern und Sägen und all den anderen Werkzeugen, die so wunderliche Namen trugen, an einem einzigen Tag ein ganzes Schiff fertiggestellt und binnen kurzem die Meere mit einer unbesiegbaren Flotte beschickt. Heute dagegen hatte es trotz Kränen und Bohrhämmern und unzähligen hochgerüsteten High-Tech-Geräten nicht den Anschein, als ob man mit dem Wiederaufbau der ausgebrannten La Fenice je fertig werden würde.
    Brunetti kehrte sowohl diesen Betrachtungen wie dem Tor den Rücken und setzte seinen Weg fort. Über die Via Garibaldi gelangte er, links am Kanal entlang, zur Kirche Sant'Anna. Er konnte sich nicht erinnern, sie jemals von innen gesehen zu haben; vielleicht diente sie aber auch, wie so viele andere in der Stadt, schon längst nicht mehr als Gotteshaus. Wie lange würden sich die Kirchen überhaupt noch halten können in einer Zeit, da es nur noch so wenige Kirchgänger gab und die jungen Leute, auch seine Kinder, sich gelangweilt abwandten, weil ihnen Christentum und Religion nichts mehr zu sagen hatten? Brunetti würde ihren Niedergang nicht sonderlich bedauern, aber daß so wenig Ersatz in Aussicht war, beunruhigte ihn doch. Wieder mußte er seine abschweifenden Gedanken zur Ordnung rufen.
    Er überquerte die schmale Brücke zu seiner Linken und sah rechts ein langgestrecktes, einzeln stehendes Gebäude, das mit seiner Rückfront parallel zum Kirchenschiff stand. Als er in die Calle Sant'Anna einbog, stieß er nach wenigen Schritten auf einen mächtigen grünen portone. Rechts davon zwei Klingeln: »Ford« und »Biblioteca della Patria«. Er läutete bei der Bibliothek.
    Der elektrische Türöffner schnarrte, und Brunetti betrat eine Eingangshalle, die gewiß an die fünf Meter hoch war. Das Licht, das durch fünf vergitterte Fenster auf der Kanalseite hereinfiel, erhellte den Raum bis hinauf zu den wuchtigen Balken - fast so dick wie die im Palazzo Ducale -, die das Deckengewölbe trugen. Das Fußbodenmosaik war in einem schlichten Fischgrätmuster angeordnet. Gegen den Hinterausgang zu und besonders auf den Stufen, die zum Fluttor hinunterführten, glänzten die Fliesen schlüpfrig unter einer dünnen Moosschicht.
    Es gab nur einen Aufgang. Auf dem ersten Treppenabsatz erwartete ihn ein untersetzter Mann in einem sehr teuren dunkelgrauen Anzug. Er war etwas jünger als Brunetti, und sein leicht gelichtetes Haar hatte jenen seltsam gesprenkelten Farbton, der Rothaarigen eigen ist, wenn sie langsam ergrauen. »Commissario Brunetti?« fragte er.
    »Ja, Signor Ford?« fragte Brunetti zurück und ergriff die dargebotene Hand.
    »Bitte, kommen Sie herein.« Ford trat einen Schritt zurück und hielt Brunetti die Tür auf.
    Der Commissario betrat einen großen Saal und sah sich um. Eine Fensterfront ging auf den Kanal hinaus, mit Blick auf das Längsschiff der Kirche, während man auf der gegenüberliegenden Seite bis zur Isola di San Pietro hinübersehen konnte.
    Vier oder fünf lange Tische mit grünbeschirmten Leselampen waren im Raum verteilt; verglaste Bücherschränke säumten die Wände zwischen den Fenstern. An den übrigen Wänden hingen gerahmte Fotografien und Urkunden, und in einem Schaukasten in einer Ecke waren auf drei Konsolen Objekte ausgestellt, die Brunetti auf die Entfernung nicht erkennen konnte.
    Der Saal hatte ein ebenso hohes Deckengewölbe wie die Eingangshalle unten, und an etlichen Balken hingen Flaggen und Standarten, mit denen Brunetti allerdings nichts anzufangen wußte. In einer länglichen, oben verglasten Vitrine, wie man sie aus Museen kennt, wurden dem Besucher aufgeschlagene Tagebücher präsentiert.
    »Ich freue mich, daß

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