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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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ideale Frau für ihn wäre, im Gegensatz zu der jungen Dame, mit der er sich verlobt. Er kann weder die augenfällige Schönheit der Schätze seiner Mutter würdigen noch die verborgene Schönheit des Mädchens.« Sie überdachte kurz das Gesagte und setzte dann, wie um den Meister in Schutz zu nehmen, hinzu: »Die Novelle erzählt das viel besser, aber es trifft so ziemlich den Kern der Geschichte.«
    »Also gut, ich frage«, sagte Brunetti, als er merkte, daß sie zu Ende war. »Wo siehst du eine Verbindung zu Signora Jacobs?«
    Er saß da und sah zu, wie sie nach einer Antwort suchte, die er verstehen würde. Schließlich sagte sie: »Sind bestimmte Dinge am Ende wichtiger als Menschen? Wen rettet man aus dem brennenden Gebäude, den Rembrandt oder das Baby? Und wie unterscheidet man in unseren geldgierigen Zeiten zwischen Schönheit und Marktwert?«
    »Und jetzt erklär's mir noch mal, ohne die rhetorischen Fragen«, bat er.
    Sie lachte, keineswegs gekränkt, und fuhr fort: »Ich denke, ein gut entwickelter Schönheitssinn ist ein Zeichen für so was wie geistige Reife«, begann sie, und Brunetti merkte, daß ihm eine ihrer gewundenen Erklärungen bevorstand. Doch er zweifelte nicht daran, daß etwas Interessantes dabei herauskommen würde. »Aber ich fürchte, unsere Zeit hat die Kunst dermaßen zu einem Investment- und Spekulationsfaktor gemacht, daß den Leuten der Blick für die Schönheit eines Objekts verstellt ist. Oder zumindest bedeutet sie ihnen nicht mehr viel: Sie sehen nur noch den Geldwert, die Konvertierbarkeit des Kunstwerks in eine bestimmte Summe.«
    »Ist das so schlimm?« fragte er.
    »Für mich schon.« Sie sah ihn an und setzte lächelnd hinzu: »Aber du weißt ja, ich bin ein furchtbarer Snob.« Als er die Pause, die sie einlegte, nicht nutzte, um ihr zu widersprechen, fuhr sie fort: »Ich denke, sobald wir Schönheit nur noch nach ihrem Marktwert taxieren, sinken unsre Skrupel, wenn es darum geht, irgend etwas Begehrenswertes in unseren Besitz zu bringen. Und darum überrascht es mich gar nicht, daß einer zum Mörder wird, um an ein Gemälde zu kommen, das er nur nach dem Kaufpreis beurteilt. Wohingegen ich mir nicht vorstellen kann, daß jemand aus reiner Bewunderung tötet, bloß um sich ein Bild seines Lieblingsmalers anzueignen.« Sie stützte den Kopf an die Sofalehne und schloß kurz die Augen, bevor sie weitersprach. »Unterschiedliche Ziele treiben Menschen zu unterschiedlichen Verhaltensweisen. Oder vielleicht ist es auch umgekehrt, und verschiedene Menschen werden von verschiedenen Zielen getrieben. Wie auch immer, ich glaube, einer, der hinter Geld her ist, riskiert mehr als jemand, der das Schöne verehrt.«
    »Und in diesem Fall?« fragte er.
    »Mord geht schon ziemlich weit«, lautete ihre Antwort.
    »Und was ist mit dem geistesgestörten Kunstsammler, der um jeden Preis seine Kollektion vervollständigen will?« fragte Brunetti.
    »Solche gibt's wohl, aber vermutlich würden nur die wenigsten hergehen und junge Mädchen erstechen oder alte Frauen umbringen, um ans Ziel ihrer Wünsche zu gelangen. Außerdem weiß doch noch niemand, wo diese Bilder am Ende landen werden, oder?«
    Brunetti schüttelte den Kopf. Die Frage war immer noch offen.
    Paola sagte in sein Schweigen hinein: »Ich hab nicht vergessen, was du immer sagst, Guido.«
    »Nämlich?«
    »Daß es bei einem Verbrechen entweder um Geld, Sex oder Macht geht.« Und tatsächlich hatte er das oft behauptet, einfach weil ihm so wenig andere Motive untergekommen waren. »Nun, wenn Claudia noch Jungfrau und Signora Jacobs über achtzig war, dann können wir Sex wohl ausschließen«, fuhr Paola fort. »Und ich kann mir nicht vorstellen, daß es um Macht geht, oder?« Er schüttelte den Kopf, und sie schloß mit der Frage: »Also?«
    Als der Commissario am nächsten Morgen in die Questura kam, ging ihm das Gespräch mit Paola immer noch so sehr nach, daß er, ohne sich bei irgendwem zu melden, direkt in sein Büro hinaufging. Dort rief er als erstes Lucia Mazzetti in Mailand an. Zu seiner Überraschung war das Mädchen gleich selbst am Apparat. Sie klang vollkommen verändert, alle Scheu war aus ihrer Stimme gewichen, und Brunetti hatte wieder einmal Grund, das rasche Regenerationsvermögen der Jugend zu bewundern. Er begann mit den üblichen Floskeln, kam aber aus Sorge, daß Lucias Mutter in der Nähe sein und sie unterbrechen könnte, sehr bald auf den Grund seines Anrufs zu sprechen. Hatte Claudia jemals einen Mann

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