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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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im Irrtum«, sagte sie, nahm ihr Buch auf, schob ein Lesezeichen zwischen die Seiten und klappte es zu. Als sie den Band wieder hinlegte, sagte sie:
    »Ich kann jetzt nicht weiterlesen.«
    »Ich auch nicht«, meinte er und ließ die Anna Comnena vor sich auf den Tisch sinken.
    Paola sah ihn an und fragte: »Bist du mir böse, wenn ich nicht eins von deinen Hemden anziehe?«
    Er lachte schallend, und sie gingen zu Bett.
    Am nächsten Morgen machte er sich als erstes auf die Suche nach Signorina Elettra, die er in ihrem Büro fand. Auf dem Schreibtisch standen mindestens sechs Blumensträuße, jeder in ein kegelförmig gerolltes, pastellfarbenes Papier eingeschlagen. Brunetti, der wußte, daß sie einen Dauerauftrag bei Biancat hatte, von wo man ihr jeden Montag frischen Blumenschmuck lieferte, fragte sich, ob er mit dem Kalender durcheinandergekommen und heute gar nicht Dienstag sei - oder ob er die Ereignisse des gestrigen Tages am Ende nur geträumt habe.
    »Sind die von Biancat?« erkundigte er sich.
    Sie riß zwei Packungen auf und begann, Zwergsonnenblumen in einer grünen Vase anzuordnen. »Nein, die sind vom Rialto.« Sie trat einen Schritt zurück, musterte das Arrangement und fügte noch drei Sonnenblumen hinzu.
    »Dann ist heute also wirklich Dienstag?«
    Sie maß ihn mit einem verwunderten Blick und sagte: »Ja, natürlich.«
    »Aber kommen die Blumen nicht immer montags?«
    Sie lächelte, nahm die Vase auf und stellte sie auf die andere Seite ihres Computers. »Doch, schon. Aber der Vice-Questore hat letzthin ein ziemliches Theater gemacht wegen der hohen Bürokosten, und da habe ich beschlossen, die Blumen für eine Weile am Rialto zu kaufen, wo sie sehr viel billiger sind - zumindest so lange, bis er sich ein neues Steckenpferd sucht.«
    »Haben Sie denn all diese Sträuße selber hergebracht?« fragte Brunetti und versuchte abzuschätzen, ob die üppigen Gebinde überhaupt in ihre Arme paßten.
    »Nein, als ich merkte, wie viel ich gekauft hatte, habe ich mir ein Boot bestellt.«
    »Ein Polizeiboot?«
    »Ja, sicher. Ein Wassertaxi ließe sich schlecht verbuchen«, sagte sie und kürzte den Stiel einer Nelke.
    »Wegen dieser leidigen Sparmaßnahmen«, vermutete Brunetti.
    »Genau.«
    Drei der übrigen Sträuße wanderten in eine riesige Keramikvase, und der letzte, ein Bund Astern, kam in eine schlanke Kristallvase, die Brunetti noch nie zuvor gesehen hatte. Als alle drei Vasen zu Signorina Elettras Zufriedenheit aufgestellt waren und sie das Einwickelpapier sauber gefaltet in dem Korb fürs Recyclingpapier entsorgt hatte, sah sie zu ihm auf und sagte: »Ja, Commissario?«
    »Haben Sie etwas über die Tochter herausfinden können?«
    Signorina Elettra nahm einen Notizblock vom Schreibtisch, klappte ihn auf und begann vorzulesen: »Das Mädchen, Valentina, wurde vor zwei Jahren aus der Schule genommen, und seither fehlt, zumindest amtlicherseits, jede Spur von ihr.«
    »Wer hat sie aus der Schule genommen?«
    »Offenbar ihr Vater.«
    »Und wie ging das zu?«
    »Laut Eintrag der Schulbehörde war der sechzehnte November vor zwei Jahren ihr letzter Schultag.«
    Sie sah ihn an, aber keiner von beiden brauchte den anderen daran zu erinnern, daß eine Woche zuvor auf Signora Moro geschossen worden war.
    »Und?« fragte er.
    »Nichts und. Aus den Unterlagen im Archiv geht hervor, daß die Eltern sich entschlossen hatten, das Mädchen auf eine Privatschule zu geben.«
    »Wo?« fragte Brunetti.
    »Wie man mir sagte, brauchen darüber keine Angaben gemacht zu werden.«
    »Aber hat die alte Schule denn nicht nachgefragt?« Brunetti klang verärgert. »Wollen die denn nicht wissen, wo ihre Schützlinge abbleiben?«
    »Die Frau, mit der ich gesprochen habe, sagte, Vorschrift sei nur, daß die Erziehungsberechtigten die entsprechenden Formulare ausfüllen und unterschreiben - in doppelter Ausführung«, äffte Signorina Elettra den leiernden Tonfall der Person nach, mit der sie gesprochen hatte.
    »Und wenn die Papiere in Ordnung sind, kann ein Kind verschwinden, ohne daß irgendwer Nachforschungen anstellt?«
    »Man hat mir gesagt, die Verantwortung der Schule erlischt, sobald die Eltern die Formulare ausgefüllt haben und mindestens ein Elternteil das Kind von der Schule abgeholt hat.«
    »Einfach so?« fragte er.
    Signorina Elettra hob die gespreizten Hände, als wolle sie sagen, daß sie hier schon gar nicht zuständig sei. »Die Frau am Telefon sagte, sie habe noch nicht dort gearbeitet, als das Mädchen

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