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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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strich sie sorgfältig glatt. Anschließend ging er durchs Wohnzimmer in den Flur zurück und verließ die Wohnung. Als er auf der Treppe an der Tür von Beatrice Della Vedova vorbeikam, stellte er sich vor, wie sie drinnen mit ihrem Kater auf dem Schoß dasaß und den Schritten lauschte, die das Leben an ihrer Schwelle vorbeitrugen.

18
    E rst als die Kinder an diesem Abend zu Bett gegangen waren und er und Paola allein im Wohnzimmer saßen, wo sie zum hundertsiebenundzwanzigsten Mal Jane Austens Die Liebe der Anne Elliot las und er Anna Comnenas Mahnung nachhing, daß »sobald man in die Rolle des Historikers schlüpft, Freund- und Feindschaften nicht mehr zählen dürfen«, erst da kam Brunetti auf sein heimliches Eindringen in Signora Moros Wohnung zu sprechen, allerdings auf einem Umweg. »Paola ...«, begann er. Über den Rand des Buches hinweg traf ihn ein zerstreuter Blick. »Was würdest du tun, wenn ich dich um eine Trennung bäte?«
    Bei seinen ersten Worten war Paolas Blick wieder in ihr Buch gewandert, aber jetzt starrte sie ihn entgeistert an, und Anne Elliot blieb mit ihren romantischen Problemen sich selbst überlassen. »Wenn du was?«
    »Dich um eine Trennung bitten würde.«
    »Bevor ich in die Küche gehe und das Brotmesser hole«, sagte sie, und ihre Stimme klang sehr beherrscht, »könntest du mir verraten, ob das eine hypothetische Frage ist?«
    »Aber ja doch!« beteuerte er und genierte sich fast, weil ihre Gewaltandrohung ihn gar so glücklich machte. »Also, was würdest du tun?«
    Paola legte das aufgeschlagene Buch verkehrt herum neben sich. »Warum willst du das wissen?«
    »Das sage ich dir, sobald du meine Frage beantwortet hast. Komm schon, was würdest du tun?«
    Ihr Blick verhieß nichts Gutes. »Na?« drängte er.
    »Wenn es eine echte Trennung wäre, dann würde ich dich vor die Tür setzen und alles, was dir gehört, hinterherwerfen.«
    Auf Brunettis Gesicht erschien ein glückseliges Lächeln.
    »Alles?«
    »Ja. Alles. Sogar die Sachen, die ich mag.«
    »Würdest du zum Schlafen eins von meinen Hemden anziehen?«
    »Bist du verrückt?«
    »Und wenn die Trennung nur eine Finte wäre?«
    »Eine Finte?«
    »Ja, damit es so aussieht, als ob wir uns getrennt hätten, auch wenn es gar nicht stimmt, sondern wir nur so tun müßten, als ob.«
    »Dann würde ich dich immer noch rauswerfen, aber all die Sachen, die ich mag, behalten.«
    »Und das Hemd? Würdest du darin schlafen?«
    Sie sah ihn lange an. »Willst du eine ernstgemeinte Antwort oder noch mehr Kindereien?«
    »Ich glaube, ich möchte eine ehrliche Antwort.«
    »Gut, dann ja, ich würde in deinem Hemd schlafen oder es auf mein Kissen legen, damit ich zumindest deinen Geruch bei mir hätte.«
    Brunettis Glaube an seine Ehe war so unerschütterlich wie der in das periodische System der Elemente, ja womöglich noch stärker; trotzdem konnte eine gelegentliche Bestätigung nicht schaden. Und auch wenn er noch nicht wußte, was er daraus folgern sollte, schien ihm die Ehe der Moros jetzt ebenso beständig wie die eigene.
    »Signora Moro«, begann er, »lebt von ihrem Mann getrennt.« Paola nickte zum Zeichen, daß er ihr das bereits erzählt hatte. »Aber unter dem Kissen in dem Doppelbett, in dem sie allein schläft, liegt ein Hemd von ihm.«
    Paolas Blick schweifte nach links zum Fenster, in dem sich ein einsames Licht aus dem Haus gegenüber spiegelte. Nach einer langen Weile sagte sie leise seufzend: »Ah.«
    »Ja«, bekräftigte er, »das habe ich auch gedacht.«
    »Aber warum müssen sie so tun, als hätten sie sich getrennt?«
    »Vermutlich damit diejenigen, die auf sie geschossen haben, es nicht wieder tun und womöglich beim zweiten Mal besser treffen.«
    »Ja, das leuchtet ein.« Paola dachte nach, dann fragte sie:
    »Und wer könnte das sein?«
    »Wenn ich das wüßte, dann würde ich wahrscheinlich auch alles andere verstehen.«
    Mechanisch, weil sie es nun einmal gewohnt war, auf sprachliche Logik zu achten, sagte Paola: »Wir können nie alles verstehen.«
    »Gut, aber wenigstens wüßte ich mehr als jetzt. Vermutlich auch, wer den Jungen getötet hat.«
    »Da läßt du nicht locker, oder?« fragte sie ohne Tadel.
    »Nein.«
    »Solltest du wohl auch nicht.«
    »Dann glaubst du also auch, daß er ermordet wurde?«
    »Das habe ich von Anfang an gedacht.«
    »Wieso?«
    »Weil ich auf dein Gespür vertraue und weil du so fest davon überzeugt warst.«
    »Und wenn ich mich doch irren sollte?«
    »Dann waren wir gemeinsam

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