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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Erzählton, nicht anklagend. Und ich habe nie gefragt, was passiert ist; ich wollte nicht indiskret sein. Darunter habe ich selber oft genug gelitten. Ich dachte mir, was sie preisgeben will, wird sie mir schon von allein erzählen, wenn sie soweit ist.«
    »Und hat sie?«
    Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Nein, es blieb bei diesen beiden Anspielungen.«
    »Sehen Sie sich oft?«
    »Vielleicht einmal die Woche. Manchmal schaut sie auf einen Kaffee vorbei, oder sie kommt einfach runter, um sich ein Weilchen zu unterhalten.«
    »Kannten Sie sie schon, bevor sie hier einzog?«
    »Nein. Ihr Mann war mir natürlich ein Begriff. Aber den kennt ja so gut wie jeder. Schon durch den Moro-Report.«
    Brunetti nickte. »Sie habe ich durch Gastone kennengelernt.«
    »Gastone?«
    »Der Kater. Sie fand ihn eines Tages vor dem Haus, und sowie sie das Tor aufsperrte, drängte er sich mit hinein. Und als er dann hier vor meiner Wohnungstür stehenblieb, klopfte sie und fragte, ob das meine Katze sei. Gastone entwischt mir manchmal, und dann stromert er in der calle herum, bis ihm jemand aufmacht oder Nachbarn, die wissen, daß er mir gehört, bei mir läuten und Bescheid sagen, daß ich ihn hereinlassen soll.« Ein inniges Lächeln ließ ihr Gesicht aufleuchten. »Worum ich sehr froh bin. Schließlich ist es nicht gerade leicht für mich, hinunterzugehen und ihn zu holen.« Sie sagte das so beiläufig, daß Brunetti es weder als indirekte Aufforderung zur Nachfrage empfand noch als unbewußten Appell an sein Mitleid.
    »Wann haben Sie Signora Moro zuletzt gesehen?«
    Darüber mußte sie erst nachdenken. »Vorgestern, und direkt gesehen habe ich sie nicht, ich hörte sie nur auf der Treppe. Aber ich bin sicher, daß sie es war. Ich hatte gerade vom Tod ihres Sohnes erfahren, und dann, als sie ins Haus kam, erkannte ich draußen ihren Schritt. Ich wollte schon zur Tür und aufmachen, aber dann wußte ich nicht, was ich hätte sagen sollen. Also blieb ich einfach hier sitzen und hörte sie nach oben gehen. Etwa eine Stunde später kam sie wieder herunter.«
    »Und seitdem?«
    »Nichts.« Bevor er etwas sagen konnte, fuhr sie fort:
    »Aber ich schlafe nach hinten raus, und aufgrund der Medikamente, die ich nehmen muß, habe ich einen sehr festen Schlaf. Es ist also durchaus möglich, daß sie zurückgekommen ist, ohne daß ich es gehört habe.«
    »Hat sie Sie vielleicht angerufen?«
    »Nein.«
    »Und paßt es zu ihr, einfach zwei Tage fortzubleiben?«
    Die Antwort kam prompt. »Nein, im Gegenteil, sie ist fast immer zu Hause, aber seit vorgestern habe ich sie weder auf der Treppe gehört noch oben in ihrer Wohnung.«
    Bei den letzten Worten deutete sie zur Decke hinauf.
    »Und haben Sie eine Vermutung, wo sie sein könnte?«
    »Nein, über so was haben wir nicht miteinander gesprochen.« Als sie sein erstauntes Gesicht sah, ergänzte sie: »Ich meine, wir waren nicht befreundet, nur zwei einsame Frauen, die ab und zu miteinander plauderten.«
    Auch dahinter verbarg sich, soweit Brunetti es beurteilen konnte, keine Botschaft: nur die schlichte Wahrheit, klar und deutlich ausgesprochen. »Und sie lebte allein?«
    »Soviel ich weiß, ja.«
    »Empfing auch keinen Besuch?«
    »Nicht daß ich wüßte, nein.«
    »Ein Kind haben Sie in der Wohnung nie gehört?«
    »Meinen Sie ihren Sohn?«
    »Nein, ihre Tochter.«
    »Tochter?« Ihr Erstaunen beantwortete seine Frage hinlänglich. Sie schüttelte den Kopf.
    »Niemals?«
    Wieder ein stummes Kopfschütteln, als hätte die schockierende Vorstellung von einer Mutter, die eins ihrer Kinder einfach verheimlichte, ihr die Sprache verschlagen.
    »Und hat sie über ihren Mann gesprochen?«
    »Selten.«
    »Können Sie beschreiben, wie? Ich meine, klang sie verbittert? Zornig?«
    Die junge Frau überlegte einen Moment, dann sagte sie:
    »Nein, sie redete ganz normal über ihn.«
    »Liebevoll?«
    Der Blick, den sie ihm zuwarf, zeugte von beredter Neugier. »Nein, das könnte ich nicht sagen. Wenn es sich ergab, erwähnte sie ihn ganz normal.«
    Um sich besser einfühlen zu können, bat Brunetti:
    »Könnten Sie mir ein Beispiel geben?«
    »Also einmal unterhielten wir uns über Krankenhäuser und Kliniken.« Hier stockte die junge Frau, dann seufzte sie und fuhr fort. »Wir sprachen über die Fehler, die dort begangen werden, und sie sagte, der Report ihres Mannes habe dem Abhilfe geschaffen, aber nur für kurze Zeit.«
    Brunetti wartete auf eine nähere Erläuterung, aber sie hatte offenbar alles

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