Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
Vianello, zwischen einem herrschsüchtigen Bürokraten und einem friedliebenden Gemütsmenschen.
    Einen Augenblick lang verdroß es ihn, daß derlei persönliche Animositäten die Zusammenarbeit in der Questura unnötig erschwerten. Warum konnten nicht wenigstens die Hüter des Gesetzes über solch kleinlichen Querelen stehen? Doch schon im nächsten Moment schüttelte er den Kopf über seine verrückte Utopie: Wenn das so weiterging, würde er sich demnächst noch einen salomonischen Herrscher herbeisehnen. Dabei brauchte er nur an den gegenwärtigen Regierungschef zu denken, und schon löste sich sein Wunschtraum in Luft auf.
    Weiter kam er nicht mit seinen philosophischen Betrachtungen, denn Alvise erschien, brachte ihm die aktuellen Zahlen zur Kriminalstatistik und meldete, der Vice-Questore benötige die Auswertung noch am selben Tag und er wünsche Quoten, die er der Presse vorlegen könne, ohne sich zu blamieren.
    »Was soll das Ihrer Meinung nach heißen, Alvise?« fragte Brunetti hinterhältig.
    »Daß er alle Verbrechen aufgeklärt hat, Signore«, antwortete Alvise, ohne eine Miene zu verziehen, salutierte und verschwand. Brunetti aber blieb mit dem schwelenden Verdacht zurück, daß Lear nicht der einzige war, der einen weisen Narren im Gefolge hatte.
    Er arbeitete über Mittag durch und war bis zum späten Nachmittag damit beschäftigt, neue Kategorien einzuführen und die Zahlen so hinzudrehen, daß sowohl der Wahrheit Genüge getan als auch Patta zufriedengestellt werden konnte. Als er endlich auf die Uhr sah, war es schon nach sieben und somit höchste Zeit, den Zahlenspielen den Rücken zu kehren und Feierabend zu machen. Kurz entschlossen rief er Paola an und fragte, ob sie nicht Lust hätte, mit ihm essen zu gehen. Paola war sofort einverstanden. Sie müsse nur rasch noch etwas für die Kinder herrichten, dann könne sie ihn treffen, wo immer er wolle.
    »Sommariva?« fragte er.
    »Du meine Güte«, rief sie, »so edel?«
    »Ich will mich heute einmal belohnen«, sagte er.
    »Mit Marias Kochkünsten?« fragte sie.
    »Mit deiner Gesellschaft«, antwortete er. »Wir treffen uns um acht im Restaurant.«
    Fast drei Stunden später stiegen ein hummergesättigter Brunetti und seine champagnerselige Gattin die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf - ein bißchen langsamer als sonst, was bei ihm vom mehr als reichlichen Essen kam, bei ihr von dem Grappa, den sie nach dem Kaffee getrunken hatte. Sie gingen untergehakt und freuten sich aufs Bett und auf einen erquickenden Schlaf.
    Als sie die Tür aufsperrten, klingelte das Telefon. Erst wollte Brunetti nicht rangehen und den Anrufer, wer es auch sein mochte, bis zum nächsten Morgen warten lassen. Hätte er Zeit gehabt, sich zu vergewissern, daß die Kinder sich wohlbehalten in ihren Zimmern befanden, wäre er auch bei diesem Entschluß geblieben; so aber obsiegte das väterliche Verantwortungsgefühl, und er hob beim vierten Klingeln ab.
    »Ich bin's, Signore«, sagte Vianello.
    »Was ist passiert?« fragte Brunetti, kaum daß er die Stimme erkannt hatte.
    »Signor Moros Mutter hatte einen Unfall.«
    »Was?«
    Ein plötzliches Knistern in der Leitung übertönte Vianellos Stimme. Als die Verbindung wieder klar war, hörte Brunetti nur noch: »... keine Ahnung, wer.«
    »Wer was?« verlangte Brunetti zu wissen.
    »Es getan hat.«
    »Was getan? Ich habe Sie nicht verstanden.«
    »Sie wurde von einem Auto angefahren, Signore. Ich bin in Mestre im Krankenhaus.«
    »Was ist geschehen?« »Die Signora war vermutlich auf dem Weg zum Bahnhof in Mogliano, wo sie wohnt. Jedenfalls ging sie in diese Richtung. Plötzlich wurde sie von einem Auto erfaßt, das sie zu Fall brachte und einfach weiterfuhr.«
    »Gibt es Zeugen?«
    »Ja, zwei. Die Ortspolizei hat sie vernommen, aber beide konnten nur sehr vage Angaben machen. Danach hatte der Wagen angeblich eine helle Farbe, und der Fahrer könnte eine Frau gewesen sein.«
    Mit einem Blick zur Uhr fragte Brunetti: »Und wann war das?«
    »Gegen sieben, Signore. Als die Polizei die Personalien aufnahm und feststellte, daß es sich um Fernando Moros Mutter handelt, fiel einem der Kollegen der Tod des Jungen ein, und sie verständigten die Questura. Erst versuchte man, Sie zu erreichen, und dann haben sie mich angerufen.«
    Brunettis Blick fiel auf den Anrufbeantworter, der mit einer blinkenden roten Ziffer die einzige Nachricht anzeigte, die ihn erwartete. »Weiß Moro schon Bescheid?«
    »Den haben sie als ersten angerufen,

Weitere Kostenlose Bücher