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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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in deinem Kummer.« Die Worte lagen ihm schon auf der Zunge, als Signorina Elettra einen Schritt auf ihren Schreibtisch zu machte und mit dem Anflug eines Lächelns sagte: »Ich habe alles gefunden.« Aber in einem Ton, als hätte sie alles verloren.
    Es vergingen noch drei Sekunden, dann hatten sie sich stillschweigend darauf geeinigt, die Szene am Fenster nicht zu erwähnen, und Brunetti trat zu ihr an den Schreibtisch.
    Dort lagen zwei Stapel Papiere. Noch im Stehen wies Signorina Elettra auf den ersten und sagte: »Das ist eine Liste der Schüler, deren Väter beim Militär oder in der Regierung sind - sonst habe ich bei den Schülern noch nichts recherchiert. Und darunter finden Sie eine Aufstellung über die militärische Laufbahn der Lehrer und darüber, welchem Truppenteil sie angehörten und in welchem Rang sie ausgeschieden sind. Und ganz unten ist noch eine Liste der Männer, die mit Dottor Moro in dem Ausschuß zur Überprüfung der Truppenversorgung saßen.«
    Wider besseres Wissen - die Neugier war einfach stärker - sagte Brunetti: »Also schön. Verraten Sie mir, wo Sie das alles herhaben.« Als sie nicht antwortete, hob er die rechte Hand und beteuerte: »Ich schwöre bei den Häuptern meiner Lieben, daß ich es niemandem weitersagen, ja daß ich es sofort wieder vergessen und Tenente Scarpa unter keinen Umständen preisgeben werde.«
    Sie dachte darüber nach. »Und wenn er Sie mit einer ganz furchtbaren Drohung in die Enge treibt?«
    »Wie der, mich auf ein Glas Wein einzuladen?«
    »Schlimmer. Zum Essen.«
    »Ich werde stark bleiben.«
    Da kapitulierte sie. »Es ist gar nicht so schwer, Zugriff auf die Personalakten des Militärs zu kriegen. Alles, was man braucht, sind der Code und die Dienstnummer der gesuchten Person.« Brunetti fragte nicht, wie sie sich Codes oder Dienstnummern beschafft hatte. »Beim Parlament ist es fast schon zu einfach«, fuhr sie verächtlich fort. »Da käme jedes Kind rein.« Er nahm an, sie meinte die Computerdateien, nicht das Gebäude.
    »Und die Listen aus San Martino?« fragte er.
    Sie maß ihn mit einem langen, forschenden Blick, und er nickte, zum Zeichen, daß sein Schwur immer noch galt.
    »Die hat Pucetti mitgehen lassen und bei mir deponiert, für den Fall, daß wir sie einmal brauchen könnten.«
    »Hatten Sie schon Zeit, sie auszuwerten?«
    »Ein wenig. Ein paar Namen kommen auf mehreren Listen vor.«
    »Zum Beispiel?«
    Sie zog ein Blatt Papier aus dem ersten Stapel und deutete auf zwei Namen, die sie bereits mit einem gelben Marker angestrichen hatte. »Maggiore Marcello Filippi und Colonello Giovanni Toscano.«
    »Sagen Sie mir einfach, was mit denen ist«, bat Brunetti. »Das geht schneller.«
    »Maggiore Filippi war siebenundzwanzig Jahre in der Armee und wurde vor drei Jahren pensioniert. Die letzten sechs Jahre seiner Dienstzeit war er für die Ausrüstung der Fallschirmspringer verantwortlich. Sein Sohn besucht in San Martino die Abschlußklasse.« Sie zeigte auf den zweiten Namen. »Der Colonello war als militärischer Berater in genau dem Parlamentsausschuß, dem auch Dottor Moro angehörte. Inzwischen unterrichtet er an der Akademie. In der Woche, als der Junge starb, war er auf einem Seminar in Paris.«
    »Ist das nicht ein ziemlicher Abstieg, von einem Parlamentssitz zum Lehrer an einer Militärakademie in der Provinz?«
    »Die militärische Laufbahn des Colonello nahm nach zweiundzwanzig Jahren ein etwas unrühmliches Ende«, erklärte Signorina Elettra. »Zumindest«, fuhr sie einschränkend fort, »ist das der Eindruck, den die internen Daten vermitteln.«
    Interne Daten, wiederholte Brunetti im stillen. Machte sie denn vor gar nichts halt? »Und was steht da drin?«
    »Daß einige Mitglieder des Ausschusses mit der Arbeit des Colonello nicht übermäßig zufrieden waren. Einer ging sogar so weit zu behaupten, der Colonello sei bei der Wahl seiner Empfehlungen an den Ausschuß alles andere als unparteiisch vorgegangen.«
    »Moro?«
    »Ja.«
    »Aha.«
    »Sie sagen es.«
    »Inwiefern war Toscano nicht unparteiisch?« fragte Brunetti.
    »Darüber gibt es keine näheren Angaben, aber es ist doch nicht schwer zu erraten, oder?«
    »Nein, Sie haben recht.« Wenn der Ausschuß den Colonello für befangen erklärte, dann bedeutete das wohl, daß er bei der Präsentation der Firmen, die als Militärlieferanten zur Wahl standen, einzelne bevorzugt und sich dafür hatte bezahlen lassen. Oder, meldete sich Brunettis eingefleischter Zynismus, oder beide

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