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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Versorgungsdienst«, las Avisani mit unverhohlenem Interesse vor.
    »Was versteht man darunter?«
    Es entstand eine Pause, bevor der Reporter antwortete:
    »Wahrscheinlich ist das der Ausschuß, der die Verträge mit den Firmen prüft, die das Militär beliefern.«
    »Prüft oder die Aufträge vergibt?«
    »Ich würde sagen: prüft. Es war eigentlich nur ein Unterausschuß, das heißt, seine Befugnisse beschränkten sich darauf, dem übergeordneten Gremium Empfehlungen zu geben. Glaubst du, das ist der Stolperstein?« fragte Avisani.
    Brunetti erinnerte sich gerade noch rechtzeitig, daß sein Freund ein Mitglied der Presse war. »Ich weiß nicht mal, ob es einen solchen gibt«, antwortete er ausweichend.
    »Mein Gott, Guido«, seufzte Avisani ungeduldig. »Ich frage dich als interessierter Freund, nicht als Reporter.«
    Brunetti lachte erleichtert auf. »Na ja, es paßt besser als die Postboten. Die sind nicht besonders gewalttätig.«
    »Außer in Amerika«, schränkte Avisani ein.
    Wieder sorgte der Konflikt zwischen beruflichen Interessen und Freundschaft für einen Augenblick betretenen Schweigens, dann fragte Avisani entschlossen: »Möchtest du, daß ich an der Sache dran bleibe?«
    Da er nicht wußte, wie er es sonst formulieren sollte, sagte Brunetti zögernd: »Wenn du es diskret machen kannst.«
    »Bei mir geht alles diskret, darum lebe ich ja noch, Guido«, sagte der Reporter ohne einen Anflug von Ironie. Dann verabschiedete er sich nicht übermäßig freundlich und legte auf.
    Brunetti rief unten bei Signorina Elettra an, und als sie sich meldete, sagte er: »Signorina, ich hätte da noch einen Punkt für Ihr ...« Hier stockte er, verlegen um eine Bezeichnung für das, was Signorina Elettra trieb. »... für Ihre Recherchen«, ergänzte er schließlich.
    »Ja, Signore?«
    »Die Truppenversorgung.«
    »Und worum geht es da?«
    »Um Kauf und Erwerb«, begann er, aus einem Vers zitierend, den Paola beständig im Munde führte. »Aber nach dem Motto: Was springt für mich dabei heraus? Moro war in einem Ausschuß, der die Vereinbarungen zwischen den Zulieferfirmen fürs Militär und ihren Vertragspartnern zu überprüfen hatte.«
    »O je«, rief Signorina Elettra. »Wie konnte denn das passieren?« Und Brunetti fragte sich, wie lange er wohl brauchen würde, um einem Ausländer zu erklären, was damit gemeint war - fassungslose Verwunderung darüber, daß ein grundehrlicher Mann wie Moro in einen Ausschuß geraten konnte, der über die Verteilung staatlicher Gelder in beträchtlicher Höhe zu entscheiden hatte.
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete er. »Vielleicht könnten Sie nachsehen, wer sonst noch in diesem Ausschuß war?«
    »Gewiß, Signore. Regierungsunterlagen sind sehr leicht zugänglich«, sagte sie und überließ es ihm zu erraten, wieviel kriminelles Potential in diesem Satz steckte.
    Er sah auf die Uhr und fragte: »Soll ich zum Essen gehen oder lieber warten?«
    »Gehen Sie Mittag essen, Signore«, riet sie und hatte auch schon aufgelegt.
    Also ging Brunetti ins Testiere, wo der Besitzer immer einen Platz für ihn fand, und bestellte Meeresfrüchte als Vorspeise und danach einen gegrillten Thunfisch, von dem Bruno schwor, daß er fangfrisch sei. Aber so zerstreut, wie Brunetti auf seinem Teller herumstocherte, hätte der Fisch ebensogut aus der Tiefkühltruhe kommen können. Normalerweise hätte er sich geschämt, eine so vorzügliche Mahlzeit nicht gebührend zu würdigen. Heute aber war er so damit beschäftigt, den Zusammenhang zwischen Moros politischer Arbeit und dem Leid, das man seiner Familie zugefügt hatte, zu ergründen, daß er den Fisch zwar aufaß, aber nicht genießen konnte.
    Zurück in der Questura, sah er die Tür zu Signorina Elettras Büro offenstehen. Sie lehnte am Fenster und blickte auf den Kanal hinaus, der ins Bacino mündete. So vertieft war sie in das, was es dort zu sehen gab, daß sie ihn nicht kommen hörte, und da er sie nicht erschrecken wollte, blieb er auf der Schwelle stehen. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, die Füße gekreuzt und kehrte Brunetti das Profil zu. Er sah, wie sie den Kopf senkte und einen Herzschlag länger als nötig die Lider schloß. Dann holte sie so tief Luft, daß ihre Brust sich merklich hob, schlug die Augen auf und wandte sich vom Fenster ab. Und fand seinen Blick auf sich gerichtet.
    Drei Sekunden vergingen. Paola hatte einmal einen Satz zitiert, mit dem die Iren Trostbedürftigen Beistand leisten:
    »Ich leide mit dir

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