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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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wiedererkannte, dem er so genüßlich vor den Knöchel getreten hatte, bemerkte wohl, daß dieses Wiedererkennen auf Gegenseitigkeit beruhte.
    Schweigend, so wie Filippi es ihm vormachte, setzte Brunetti sich auf eine Seite des Tisches, Vianello auf die andere. Brunetti hatte einen dicken blauen Aktenordner dabei, den er vor sich auf den Tisch legte. Ohne den Jungen zu beachten, schaltete er das Mikrophon ein und nannte Datum, Uhrzeit und die Namen der drei Anwesenden. Dann erst wandte er sich Filippi zu und fragte in einem Ton, der für den jungen Mann hoffentlich so klang, als müsse ein tapferer Held dieses Angebot ausschlagen, ob er einen Anwalt wünsche.
    »Natürlich nicht«, sagte der Junge mit der blasierten Überheblichkeit, die mittelmäßige Schauspieler in schlechten Kriegsfilmen vorführen. Brunetti entrichtete der Arroganz der Jugend seinen stummen Dank.
    Rasch hakte er die Fragen nach Name, Alter, Wohnsitz ab und sparte sich die nach Ausbildung oder Berufsstand bis zum Schluß auf.
    »Ich bin Kadett der San Martino«, sagte Filippi, und es klang, als ob es undenkbar wäre, daß jemand seines Alters und Standes etwas anderes sein könnte.
    »Auf der Giudecca?« fragte Brunetti.
    »Das wissen Sie doch«, erwiderte der Junge schroff.
    »Tut mir leid, aber das ist keine Antwort«, sagte Brunetti ruhig. Worauf der Junge sich ein trotziges »Ja« abrang.
    »Und in welchem Jahr sind Sie?« fragte Brunetti weiter, obwohl er die Antwort kannte. Aber er wollte sehen, ob Filippi gelernt hatte, stur auf jede Frage zu antworten.
    »Im dritten.« »Haben Sie alle drei Jahrgänge der San Martino absolviert?«
    »Ja, natürlich.«
    »Hat das in Ihrer Familie Tradition?«
    »Was, die Akademie?«
    »Ja.«
    »Selbstverständlich. Erst die Akademie, dann die Armee.«
    »Also ist Ihr Vater auch in der Armee?«
    »War. Jetzt ist er pensioniert.«
    »Seit wann?«
    »Sei etwa drei Jahren.«
    »Wissen Sie, warum Ihr Vater sich hat pensionieren lassen?«
    »Interessieren Sie sich nun für mich oder für meinen Vater?« fragte der Junge gereizt. »Wenn Sie etwas über ihn wissen wollen, warum laden Sie ihn dann nicht vor?«
    »Alles zu seiner Zeit«, sagte Brunetti ruhig. Dann wiederholte er: »Wissen Sie, warum Ihr Vater sich hat pensionieren lassen?«
    »Aus einem ganz einfachen Grund«, gab der Junge ungehalten zurück. »Weil er genügend Dienstjahre hatte und noch einmal eine neue Aufgabe suchte.«
    »Als Vorstand der Edilan-Forma-Werke?«
    Filippi wischte die Frage mit einer ungeduldigen Handbewegung beiseite. »Das müssen Sie ihn schon selber fragen.«
    Als ob das ganz folgerichtig in seinen Fragenkatalog gepaßt hätte, fragte Brunetti weiter: »Kannten Sie Ernesto Moro?«
    »Den Jungen, der sich umgebracht hat?« fragte Filippi überflüssigerweise.
    »Ja.«
    »Ich kannte ihn flüchtig, er war eine Klasse unter mir.«
    »Hatten Sie trotzdem gemeinsame Kurse?«
    »Nein.«
    »Haben Sie gemeinsam Sport getrieben?«
    »Nein.«
    »Gemeinsame Freunde?«
    »Nein.«
    »Wie viele Schüler hat die San Martino?«
    Die Frage brachte Filippi aus dem Konzept. Rasch blickte er sich nach Vianello um, als ob der wissen könnte, was diese Frage zu bedeuten hatte.
    Als von Vianello nichts kam, sagte der Junge: »Nein. Wieso?«
    »Es ist eine kleine Anstalt, mit nicht einmal hundert Schülern.«
    »Wenn Sie das schon wissen, warum fragen Sie dann?«
    Brunetti stellte befriedigt fest, daß es den Jungen irritierte, eine Frage vorgelegt zu bekommen, zu der die Polizei offenbar bereits die Antwort wußte. Ohne auf Filippis Einwurf einzugehen, fuhr er fort: »Wie ich höre, ist es eine sehr gute Schule.«
    »Ja, es ist sehr schwer reinzukommen.«
    »Und sehr kostspielig«, bemerkte Brunetti beiläufig.
    »Natürlich«, sagte Filippi mit unverhohlenem Stolz.
    »Werden die Söhne ehemaliger Absolventen bevorzugt?«
    »Das will ich doch hoffen«, sagte Filippi.
    »Wieso das?« »Weil dann die richtigen Leute reinkommen.«
    »Nämlich welche?« fragte Brunetti, der sicher war, daß er, falls sein Sohn einmal in diesem Ton von den »richtigen Leuten« sprechen sollte, seine Erziehung als gescheitert ansehen würde.
    »Offizierssöhne natürlich«, antwortete der Junge.
    »Natürlich«, wiederholte Brunetti. Er klappte den Aktenordner auf und überflog den ersten Eintrag, der nichts mit Filippi oder Moro zu tun hatte. Trotzdem ging der Blick des Commissarios aufmerksam zwischen Filippo und dem Text hin und her. »Erinnern Sie sich, wo Sie waren, in

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