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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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aufrechtzuerhalten, die ihm vielleicht eines Tages als Informanten nützlich sein könnten.
    Als Signorina Elettra sich bis zur Mittagszeit noch nicht gemeldet hatte, verließ er die Questura, ohne bei ihr nachzufragen. Aber er rief Paola an und sagte ihr, daß er nicht zum Essen komme. Dann ging er ins Da Remigio, aß insalata di mare und coda di rospo mit Tomatensauce und redete sich ein, weil er nur ein Viertel vom weißen Hauswein und einen Grappa zum Kaffee trank, sei es eine leichte Mahlzeit, die es ihm gestatten würde, abends etwas Anständiges zu essen.
    Als er in die Questura zurückkam und bei Signorina Elettra vorbeischaute, war ihr Büro verwaist. Brunetti sank der Mut, denn er fürchtete schon, sie hätte sich den Nachmittag freigenommen und er würde bis zum nächsten Tag warten müssen, um mehr über Filippi zu erfahren. Aber sie enttäuschte ihn nicht. Um halb vier, als der Commissario sich fast schon entschlossen hatte, Vianello zu einem Streifzug durchs Internet zu ermuntern, kam sie mit einigen Papieren in sein Büro.
    »Filippi?« fragte er.
    »Ist das nicht der Name einer Schlacht?«
    »Ja. Die, in der Brutus und Cassius geschlagen wurden.«
    »Von Marc Anton?« fragte sie, ohne daß ihn das überrascht hätte.
    »Und von Oktavian«, ergänzte er der Vollständigkeit halber. »Der dann, wenn ich mich recht entsinne, auszog, um seinerseits Antonius in die Knie zu zwingen.«
    »Das paßt«, sagte sie und legte die Papiere auf seinen Schreibtisch. »Durchtriebenes Volk, diese Soldaten.«
    Er deutete auf die Papiere und fragte: »Haben die Ihnen zu dieser Erkenntnis verholfen oder die Schlacht bei Philippi?«
    »Beide«, antwortete sie. Und nachdem sie noch erklärt hatte, daß sie in einer Stunde gehen müsse, weil sie einen dringenden Termin habe, verließ sie sein Büro.
    Das Dossier, das sie ihm gebracht hatte, enthielt kaum mehr als ein Dutzend Seiten, aber es enthielt einen umfassenden Bericht über die militärische Laufbahn von Filippi und Toscano. Filippi war von San Martino aus auf die Militärakademie in Modena gegangen, wo er sich nur mäßig hervortat und schließlich mitten im Schuljahr abging, um eine Laufbahn einzuschlagen, die ihn den Gefahren des Krieges tunlichst fernhielt. Seine ersten Sporen verdiente er sich als Nachschuboffizier bei einem Panzerregiment. Dann wurde er befördert und gehörte drei Jahre zum Stab des italienischen Militärattach0s in Spanien. Nach der nächsten Beförderung übernahm er als Erster Offizier den Versorgungsdienst bei einem Fallschirmspringerregiment, wo er bis zu seiner Pensionierung blieb. Als Brunetti noch einmal zum Anfang zurückblätterte, sprang ihm das Wort »Panzerregiment« ins Auge, und er mußte an seinen Vater denken, der jedesmal in Rage geriet, wenn von Panzern die Rede war. Während zweier Kriegsjahre, in denen die Armee unter der Willkür von General Cavaliero zu leiden hatte, dem ehemaligen Direktor der Ansaldo-Rüstungswerke, hatte Brunettis Vater einen Panzer gefahren und mehr als einmal erleben müssen, wie die Männer seines Bataillons in Stücke gerissen wurden, wenn die Panzerung ihrer Fahrzeuge unter Feindbeschuß wie billiges Glas zerbarst.
    Toscano hatte eine ähnlich unkriegerische Karriere gemacht wie sein Freund. Auch er war, wie von Schutzengeln getragen, die Rangleiter emporgeschwebt und nach Jahren, in denen er gewiß nie mit feindlichem Feuer in Berührung gekommen war, als Colonello zum Militärberater des Parlaments ernannt worden. Ein Posten, von dem er vor zwei Jahren auf Druck der Öffentlichkeit zurückgetreten war. Gegenwärtig unterrichtete er Geschichte und Militärtheorie in San Martino.
    Unter den beiden Bögen mit dem Briefkopf der Armee fanden sich Aufstellungen der Vermögenswerte, die Filippi, Toscano und ihre Familien besaßen, sowie Kopien ihres derzeitigen Kontostands. Vielleicht hatten beide reich geheiratet; vielleicht stammten beide aus wohlhabenden Familien; vielleicht waren sie all die Jahre sehr sparsam mit ihren Einkünften umgegangen. Vielleicht.
    Damals, als er Paola kennenlernte, hatte Brunetti sie zunächst nur alle paar Tage angerufen, weil er sein Interesse nicht allzu deutlich zeigen und sich überdies seine sogenannte männliche Überlegenheit bewahren wollte. An diese törichte Ziererei mußte er denken, als er jetzt Avisanis Nummer in Palermo wählte.
    Doch Avisani reagierte, als er seine Stimme erkannte, genauso großzügig, wie Paola es vor all den Jahren getan hatte. »Ich

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