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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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der Nacht, als man den Kadetten Moro ...« Hier machte er eine Kunstpause, ehe er sich korrigierte und mit den Worten schloß: »... als Moro starb?«
    »Ich nehme an, in meinem Zimmer«, antwortete Filippi.
    »Sie nehmen es an?«
    »Wo hätte ich sonst sein sollen?«
    Brunetti wechselte einen Blick mit Vianello, der fast unmerklich nickte, worauf Brunetti umblätterte und die nächste Seite überflog.
    »War jemand bei Ihnen?«
    »Nein.« Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
    »Ach, und wo war Ihr Zimmergenosse?«
    Filippi beugte sich vor und rückte die Handschuhe auf der Mütze zurecht, bis sie millimetergenau von der Mitte des Schirms zum hinteren Rand hin ausgerichtet waren.
    »Doch, ja, der muß auch da gewesen sein«, sagte er endlich.
    »Verstehe.« Wieder suchte Brunetti ostentativ den Blickkontakt zu Vianello, der auch diesmal mit einem leichten Nicken antwortete. Worauf Brunetti erneut seine Akte zu Rate zog, obwohl er aus dem Gedächtnis zitierte: »Davide Cappellini, so heißt er doch, nicht wahr?«
    Filippi, der sich seine Verblüffung nicht anmerken ließ, bejahte.
    »Sind Sie gut befreundet?« fragte Brunetti.
    »Denk' schon«, versetzte der Junge so bockig, wie das allein Teenager fertigbringen.
    »Nur das?«
    »Nur was?«
    »Sie denken nur, daß er Ihr Freund ist? Aber sicher sind Sie sich nicht?«
    »Natürlich bin ich mir sicher! Wieso würden wir sonst seit zwei Jahren zusammenwohnen?«
    »Eben.« Brunetti nickte und beugte sich wieder über seine Akte. Nach einer ziemlich langen Pause fragte er:
    »Unternehmen Sie viel zusammen?« Und bevor Filippi fragen konnte, wer gemeint sei, ergänzte er: »Sie und Ihr Zimmerkamerad, Kadett Cappellini?«
    »Wovon reden Sie?«
    »Von gemeinsamen Unternehmungen«, wiederholte Brunetti. »Sport? Hausaufgaben machen? Andere Dinge?«
    »Was für andere Dinge?« forschte Filippi argwöhnisch.
    »Auf die Jagd gehen?« warf Vianello zu beider Überraschung ein.
    Filippi fuhr so erschrocken herum, als hätte er ganz vergessen, daß noch ein zweiter Polizist im Raum war. »Was?« fragte er, und seine Stimme kippte um eine Oktave.
    »Fischen? Jagen?« erkundigte Vianello sich harmlos. Und ergänzte dann: »Fußball?«
    Filippi streckte die Rechte nach den Handschuhen aus, zog sie jedoch im letzten Moment zurück und legte beide Hände ineinander verschränkt vor sich auf den Tisch. »Ich möchte einen Anwalt«, sagte er.
    »Aber gern«, antwortete Brunetti, und es klang so freundlich, als hätte Filippi um ein Glas Wasser gebeten. Dann beugte er sich zum Mikrophon und nannte die Uhrzeit, zu der die Vernehmung unterbrochen worden war.

25
    A ls der Junge selbst keinen Anwalt benennen konnte, gestattete man ihm, ohne Zeugen mit seinem Vater zu telefonieren. Nach wenigen Minuten kam Filippi aus dem Verhörraum und erklärte, sein Vater werde in etwa einer Stunde mit einem Anwalt zur Stelle sein. Brunetti ließ einen Beamten kommen, der so lange mit dem Jungen im Verhörraum bleiben sollte, und erkundigte sich höflich, ob er etwas zu essen oder zu trinken wünsche. Filippi lehnte beides mit der gleichen arroganten Geste ab, mit der Generationen von drittklassigen Schauspielern in schlechten Hollywoodfilmen die Augenbinde verschmähten, die der Führer des Erschießungskommandos ihnen reichen ließ.
    Sobald sie allein waren, wies der Commissario Vianello an, Major Filippi und seinen Anwalt so lange wie möglich aufzuhalten, bevor er sie zu dem Jungen ließ.
    Dann rief er Pucetti an und bestellte ihn an den Bootsanleger.
    »Wo wollen Sie denn jetzt hin?« unterbrach Vianello verdutzt.
    »Nach San Martino. Ich muß mit Cappellini sprechen, bevor die ihn instruieren«, erklärte Brunetti. »Lassen Sie Filippi ruhig allein mit seinem Sohn reden, wenn er darauf besteht. Wenn's sein muß, kann er ihn meinetwegen auch mitnehmen. Sorgen Sie nur dafür, daß es sich so lange wie möglich hinzieht.« Bevor Vianello darauf antworten konnte, war Brunetti schon zur Tür hinaus.
    Die Polizeibarkasse lag vor der Questura bereit, und der Bootsführer, der sich von Pucettis Aufregung hatte anstecken lassen, brachte den Motor auf Touren. Pucetti hatte bereits die Ankertaue gelöst und hielt das Boot vom Ufer aus hart am Pier. Brunetti sprang an Bord, Pucetti folgte, verlor aber, da das Boot im selben Moment startete, das Gleichgewicht und mußte sich mit einer Hand an Brunettis Schulter festhalten, um nicht auszugleiten. Mit Vollgas brauste die Barkasse quer durchs Bacino und

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