Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
in der Küche neues Geschirr und Besteck. Nirgends, weder unter den Betten noch in den obersten Schrankfächern, entdeckte er eine Spur von der früheren Bewohnerin.
Da er aus Angst, sonst die Nachbarn zu alarmieren, die Fensterläden zugelassen hatte, machte ihm die aufgestaute Hitze bald so zu schaffen, daß er die Wohnung verließ und eine Treppe höher stieg. Ohne sich auf der nächsten Etage weiter aufzuhalten, kletterte er ganz hinauf bis zum Speicher. Dort stieß er auf eine Tür, deren Holz vom Alter morsch und rissig geworden war. Aber in Pfosten und Türfüllung waren massive Doppelflanschen getrieben und die Metallringe zu beiden Seiten mit einem Vorhängeschloß verankert, gegen das Brunetti mit bloßen Händen nichts ausrichten konnte. Also kehrte er in Signora Battestinis Wohnung zurück, wo er lange vergebens nach einem Werkzeug suchte. Am Schluß holte er aus der Küche eins der neuen und offenbar noch unbenutzten Messer aus rostfreiem Stahl und machte sich abermals auf den Weg zum Dachboden.
Selbst bei dem morschen Holz bedurfte es einiger Anstrengung, um den Flansch im Türpfosten zu lockern und herauszureißen. Endlich aber hatte er es doch geschafft, öffnete die Tür und spähte in den niedrigen Speicherraum. Zum Glück hatte der am anderen Ende zwei Fenster, die, obgleich nicht besonders sauber, immerhin genügend Licht hereinließen, um sich einen Überblick zu verschaffen und zumindest die Umrisse dessen zu erkennen, was man nach hier oben verbannt hatte.
An einer Wand stand ein Doppelbett mit geschnitztem Rahmen, wie er es aus dem Haus seiner Großmutter kannte; daneben ein passender Frisiertisch mit Marmorplatte und stockfleckigem Spiegel. Seitlich davon umrahmten zwei Polstersessel einen rosa Wäschekorb aus Resopal.
Unter den Fenstern stapelten sich mehrere Reihen Pappkartons. Körniger Staub knirschte unter seinen Füßen, als Brunetti darauf zuschritt. Er öffnete den obersten Karton, der zum Glück nicht mit Klebstreifen verschlossen war, fand aber nichts außer altem Schuhwerk. Seufzend stellte er den Karton auf dem Boden ab und wandte sich dem zweiten im Stapel zu, der offenbar ausrangiertes Küchengerät enthielt: ein Tranchiermesser mit gelblich verfärbtem Porzellangriff, einen Korkenzieher, eine Handvoll Silberbesteck von verschiedenen Garnituren, zwei schmutzige Topflappen und allerlei Utensilien aus Metall, deren Sinn und Zweck er sich nicht erklären konnte. Im dritten Karton, der merklich schwerer war als die beiden anderen, lagen lauter dick in Zeitungspapier eingeschlagene Päckchen. Brunetti wickelte aufs Geratewohl eines aus, und zum Vorschein kam, eingebettet in einen zwei Wochen alten Sportteil, eine häßlich bemalte Madonnenfigur, der es gar nicht zu gefallen schien, daß sie, bildlich gesprochen, zumindest für die nächste Zukunft in den jüngsten Drogenskandal des Radsports verwickelt war. Gleich neben der Madonna entdeckte Brunetti im Wirtschaftsteil des Gazzettino ein weiteres Prunkstück dessen, was Paola »Chiesa-Kitsch« nannte: eine Schneekugel aus Plexiglas, in der winzige Styroporflocken auf die Krippe von Bethlehem rieselten.
Brunetti packte beides wieder ein und stellte den Karton beiseite.
Der nächste enthielt leicht fleckige Zierdeckchen und Sesselschoner voller ausgebleichter Flecken, verwaschene Tischdecken, die wohl aus der Küche stammten, sowie Geschirrtücher, die er kaum anfassen mochte. Im übernächsten befanden sich ungefähr ein Dutzend weiße Baumwollhemden, alle tadellos gebügelt und fein säuberlich zusammengelegt; und unter den Hemden lagen sechs oder sieben dunkelgestreifte Krawatten, jede einzeln in Zellophan verpackt. Der nächste Karton war wieder schwerer, und als Brunetti ihn öffnete, stieß er auf ein Sammelsurium von Schriftgut: alte Illustrierte, Zeitungen, Kuverts, in denen offenbar noch Briefe steckten, Postkarten, Quittungen und andere Papiere, die er in dem trüben Licht nicht erkennen konnte. Da er allein den ganzen Stapel unmöglich hätte tragen können, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Fund vor Ort zu sichten und nur das mitzunehmen, was für den Fall von Interesse sein mochte.
Unterdessen wurde die Hitze immer unerträglicher; schwül preßte sie sich auf seine Haut; kribbelnd kroch sie ihm mitsamt dem Staub in die Nase. Ermattet legte er die Papiere zurück in den Karton und schickte sich an, die Jacke abzulegen, die ihm durch das schweiß getränkte Hemd am Körper klebte. Aber er hatte sie kaum von
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