Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
hätte, daß sie Erkundigungen für die Polizei anstellt, wäre alles nur noch schlimmer geworden.«
»Soll das heißen, keiner von ihren Informanten weiß, wo sie arbeitet?« fragte Brunetti verblüfft.
»Um Himmels willen! Wenn das rauskäme, wäre alles zu Ende.«
»Aber was glauben denn diese Leute, für wen sie arbeitet?« Brunetti lebte in der vagen Vorstellung, daß es möglich sein müsse, Signorina Elettras Anfragen zur Questura zurückzuverfolgen. Zumindest anhand der E-Mail-Adressen, die allen Mitarbeitern zugewiesen waren: Sogar er hatte die seine schon ein paarmal benutzt und wußte, daß man sie zweifelsfrei der Questura di Venezia zuordnen konnte.
»Ich nehme an, daß sie ihre Mails irgendwie umleitet, Commissario«, versetzte Vianello diplomatisch.
Brunetti wußte zwar nicht, wie so etwas funktionieren sollte, doch die Tatsache, daß es ein Wort dafür gab, bewies, daß es funktionierte. »Umleiten, aha - aber wie? Über wen?«
»Wahrscheinlich ihren früheren Arbeitgeber.«
»Die Banca d'Italia?« rief Brunetti baß erstaunt. Und als Vianello nickte, forschte er weiter: »Sie meinen, sie empfängt und verschickt Post über die Adresse eines Arbeitgebers, für den sie schon seit Jahren nicht mehr tätig ist?« Vianello nickte abermals, doch da wurde Brunetti laut: »Mann Gottes, wir reden hier von der italienischen Nationalbank! Wie können die jemanden, der längst nicht mehr dazugehört, weiter ihre Adresse benutzen lassen?«
»Ich glaube nicht, daß sie es gestatten würden, Commissario«, schränkte Vianello ein, »das heißt, falls die Bank etwas davon erführe.«
Wenn er dieses Gespräch fortsetzte, dachte Brunetti, dann lief er Gefahr, entweder den Verstand zu verlieren oder sich, schlimmer noch, strafrelevante Fakten anzueignen, deren Kenntnis er womöglich irgendwann unter Eid würde leugnen müssen. Allein seine Neugier war stärker. »Und haben Sie's herausbekommen?« fragte er.
»Was denn?«
»Wie hoch die Überweisung war.«
»Nein.«
»Und die Signorina?«
»Nehme ich doch an.«
»Wieso? Hat sie's Ihnen verraten?«
»Nein. Sie sagte, das sei eine vertrauliche Information, an die käme ich nur, wenn ich sie mir selbst beschaffte.«
Eine Erklärung, bei der Brunetti unwillkürlich der Begriff »Ganovenehre« einfiel. Aber Bewunderung und Respekt überwogen, so daß er alle Bedenken beiseite wischte und wieder zu seinem eigentlichen Anliegen zurückkehrte. »Dann müssen wir also sie um Hilfe bitten?«
»Ich denke, ja.«
Beide erhoben sich wie aufs Stichwort, Vianello steckte das Blatt mit den entschlüsselten Initialen ein, und gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach Signorina Elettra.
Sie trafen sie in ihrem Büro, nur leider nicht allein, sondern in Gesellschaft ihres direkten Vorgesetzten. Vice-Questore Giuseppe Patta trug heute zum cremefarbenen Anzug ein schwarzes Hemd, beides aus leichtem Sommerleinen. Seine Krawatte aus schiefergrauer Seide war mit zarten Schrägstreifen in der Farbe des Anzugs durchwirkt. Erst als er sie so nebeneinander sah, bemerkte Brunetti, der vorher nicht darauf geachtet hatte, daß Signorina Elettra ein schwarzes Leinenkostüm und eine cremefarbene Seidenbluse trug. Wäre diese Übereinstimmung beabsichtigt gewesen, dachte Brunetti, dann von seiten Pattas, um mit seiner eleganten Sekretärin zu wetteifern, bei ihr dagegen eher aus parodistischen Motiven.
»Was ist das, Ispettore?« fragte Patta gebieterisch und deutete auf das Blatt Papier, das Vianello hinter seinem Rücken zu verstecken suchte. »Hat der Commissario Sie jetzt etwa auch schon mit der fixen Idee angesteckt, daß diese Frau nicht von ihrer rumänischen Putzfrau ermordet wurde?«
»Nein, Vice-Questore«, beteuerte ein beflissener Vianello. »Das ist nur mein Merkzettel für die Mannschaftswahl beim Totocalcio.« Er streckte den Arm aus, tat so, als wolle er Patta das Papier zeigen, und fuhr fort: »Sehen Sie, in der ersten Spalte notiere ich die Abkürzungen der Mannschaftsnamen, und dann kommen die Nummern der Spieler, denen ich den Sieg ...«
»Das reicht, Vianello«, fuhr Patta gereizt dazwischen. Und zu Brunetti: »Auf ein Wort, Commissario - das heißt, falls Sie die Zeit erübrigen können und nicht auch mit Ihren Wettscheinen beschäftigt sind.« Damit wandte er sich um und schritt auf sein Büro zu.
»Selbstverständlich, Vice-Questore«, sagte Brunetti und folgte ihm, während Vianello mit Signorina Elettra zurückblieb.
Patta ging zu seinem
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